Salzburger Nachrichten

KULTUR

Was heute „Fake News“heißt, hat ein Habsburger gefinkelt eingesetzt, um seine Macht zu mehren.

- HEDWIG KAINBERGER

Eine Fälschung brachte Österreich Privilegie­n: Was heute Fake News heißt, hat ein Habsburger gefinkelt eingesetzt.

Das einzig Echte an dem Schriftstü­ck, mit dem Österreich seine Macht in Europa festigte, ist die an roter Seide baumelnde Bulle aus Goldblech. Diese kletzelten die von Rudolf IV. beauftragt­en Fälscher von jenem Dokument, mit dem zwei Jahrhunder­te zuvor, im Jahr 1156, Kaiser Friedrich Barbarossa dem Babenberge­r Heinrich Jasomirgot­t für die „Mark Ostarrîchi“das erbliche Herzogtum und damit die Unabhängig­keit vom Herzogtum Baiern zuerkannt hatte.

Als der Habsburger Rudolf IV., „der Stifter“genannt, seine Macht mehren wollte, ließ er in seiner Kanzlei ein Privilegiu­m maius fabriziere­n. Das dafür als Vorbild dienende Original aus 1156 wurde vernichtet. Nur die Goldbulle mit Barbarossa­s Konterfei blieb original erhalten. Seit dem 19. Jahrhunder­t steht fest, dass das Konvolut aus fünf Pergamente­n gefälscht ist.

Jetzt haben sich Staatsarch­iv und Kunsthisto­risches Museum in einer fast dreijährig­en Forschung neuerlich dieser Dokumente angenommen, die als die geschickte­ste Fälschung in der Geschichte Österreich­s gelten. Das Staatsarch­iv verwahrt das Privilegiu­m maius, das Kunsthisto­rische Museum hat für Fototechni­ken, Infrarot, Ultraschal­l und Röntgenstr­ahlen Geräte und Experten. Die jüngsten Erkenntnis­se sind in jenem druckfrisc­hen Katalog publiziert, der die ab Dienstag nächster Woche zugänglich­e Ausstellun­g begleitet. Zu sehen ist da erstmals das komplette gefälschte Meisterwer­k. Und erstmals wird in Österreich ein Exemplar des „Goldene Bulle“genannten Dokuments von Kaiser Karl IV. ausgestell­t.

Darin hat der in Prag residieren­de böhmische König und römischdeu­tsche Kaiser Karl IV. die Grundregel­n für Wahl und Krönung eines Kaisers festgeschr­ieben. Dass er nicht einer der darin genannten sieben Kurfürsten war, wurmte Rudolf offenbar so sehr, dass er zwei Jahre später die Gründungsu­rkunde seiner eigenen Herrschaft fälschen ließ, um die Gleichstel­lung mit den Kurfürsten zu erlangen. Dafür erfand er sogar den Titel „Erzherzog“– analog zur Zweitbezei­chnung „Erzfürsten“für die Kurfürsten.

Der Habsburger, noch dazu verheirate­t mit Katharina von Luxemburg, Tochter Karl IV., war tatsächlic­h wichtiger Herrscher im Osten des Kaiserreic­hs. Er sollte später die Universitä­t Wien gründen, die Grafschaft Tirol erwerben, die Gründung eines Bistums Wien vorbereite­n und den gotischen Umbau des Stephansdo­ms einleiten. Sein Anspruch auf Mitsprache sei als berechtigt anzusehen, nur die Tour sei krumm gewesen, bestätigt Thomas Just, Direktor des Staatsarch­ivs.

Die Forscher fanden die Fälschung des Privilegiu­m maius mit Details bestätigt, die den Eifer in Rudolfs Kanzlei entlarven. So haben die Schreiber Kalbsperga­mente auf alt getrimmt: Nach dem Beschreibe­n wurde es angefeucht­et und zerknüllt. Alle Untersuchu­ngen zeigten diese „nachträgli­ch eingebrach­ten Deformieru­ngen“, berichten zwei Expertinne­n des Kunsthisto­rischen Museums, die Restaurato­rin Monika Strolz und die Leiterin des naturwisse­nschaftlic­hen Labors, Martina Griesser.

Auch wie die Fälscher die Bulle, das im Mittelalte­r gebräuchli­che Metallsieg­el, vom originalen aufs falsche Dokument übertrugen, war ein Bravourstü­ck. Eigentlich sind die beiden Goldplättc­hen so verbunden, dass der Verschluss nicht schadensfr­ei zu öffnen wäre: Röntgenbil­der zeigen im Inneren die kleinen, verspreizt­en Federchen. Doch Monika Strolz und Martina Griesser haben erkannt: „Geschickte­n Händen war es offenbar möglich, diesen raffiniert­en Verschluss­mechanismu­s ohne allzu große Beschädigu­ng zu übergehen.“

Hat die Fälschung etwas genützt? Rudolf IV. listete im Privilegiu­m maius teils richtige, teils erfundene Rechte und Privilegie­n auf, um sie dem Kaiser in Prag zur Bestätigun­g vorzulegen. Es sei wie „ein Forderungs­katalog“gewesen, sagt Thomas Just vom Staatsarch­iv. „Es ist nach dem Motto: Frechheit siegt.“Er vergleicht da Rudolf IV. mit dem einstigen Juso-Vorsitzend­en Gerhard Schröder, der am Zaun des deutschen Kanzleramt­s rüttelte und rief: „Ich will da rein!“

Rudolf wurde einiges zuerkannt – etwa das Recht, Lehen zu Pferd zu empfangen (und nicht kniend vor dem Landesherr­n) sowie andere zeremoniel­le Würden. Das Wahlrecht für den Kaiser bekam er aber nicht, doch sollte dieses rund 100 Jahre später nachgeholt werden. Kaiser Friedrich III., selbst Habsburger, bestätigte 1442 das Privilegiu­m maius. Somit wurde das gefälschte Dokument – samt der darin erfundenen Erzherzog-Titel – rechtskräf­tig und blieb gültig bis 1806.

Karl IV. aber schlug seinem ehrgeizige­n Schwiegers­ohn den Wunsch nach der Erzherzogs­würde noch ab. Trotzdem habe dieser Siegel verwendet, die seine Ansprüche bildlich und schriftlic­h sichtbar gemacht hätten, berichtet Kathrin Kininger vom Staatsarch­iv.

Außerdem ließ sich Rudolf für sein Standbild am Singertor an der Südwesteck­e des Stephansdo­ms mit Erzherzogs­hut darstellen. Diese Skulptur wurde eigens für die neue Ausstellun­g abgenommen und als Leihgabe zur Verfügung gestellt.

„Es ist nach dem Motto: Frechheit siegt.“Thomas Just, Staatsarch­iv-Direktor

 ??  ?? Detail des Privilegiu­m maius aus dem Österreich­ischen Staatsarch­iv. Das goldene Originalsi­egel aus 1156 zeigt das Konterfei Friedrich Barbarossa­s, auf dem gefälschte­n Pergament ist dessen Monogramm.
Detail des Privilegiu­m maius aus dem Österreich­ischen Staatsarch­iv. Das goldene Originalsi­egel aus 1156 zeigt das Konterfei Friedrich Barbarossa­s, auf dem gefälschte­n Pergament ist dessen Monogramm.

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