Hollands Premier kann Kurz helfen
Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz schaute vor dem Brexit-Gipfel in Den Haag vorbei. Er sucht Verbündete.
Die österreichische EURatspräsidentschaft ist zur Hälfte vorüber. Noch knapp drei Monate, dann übernimmt zum Jahreswechsel Rumänien den Vorsitz über die – bis zum Brexit im März – 28 Mitgliedsstaaten. Beim EU-Gipfel morgen, Mittwoch, und Donnerstag in Brüssel soll etwas weitergehen: Migration hat Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) selbst ganz oben auf die Liste der Prioritäten der Ratspräsidentschaft gesetzt, der Brexit tat dies von selbst. Und bei beiden Themen spießt es sich.
Kurz kann also alle Unterstützung brauchen, will er Fortschritte erzielen. Auch vor diesem Hintergrund ist der Besuch zu sehen, den er am Montag dem niederländischen Premierminister Mark Rutte in Den Haag abstattete.
Rutte gilt als Freund Österreichs, er war erst am 1. Jänner zum Neujahrskonzert in Wien zu Besuch. Vor allem aber hat das Wort des rechtsliberalen Regierungschefs Gewicht. Es wird gemunkelt, der 51Jährige könnte mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und dessen „République en Marche“eine gemeinsame liberale Plattform für die Wahlen zum Europaparlament im Frühjahr bilden. Rutte werden immer wieder Ambitionen auf einen der politischen Spitzenjobs in Brüssel nachgesagt. Rutte ist also ein gefragter Mann, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war vergangene Woche zu Gast in Den Haag.
Einen Abend lang hatten Rutte und Kurz am Montag Zeit zu reden – unter vier Augen, beim offiziellen Abendessen und am Rande eines Museumsrundgangs im mit alten Meistern bestückten Mauritshuis. Auf der Themenliste stand alles, was ansteht oder Probleme bereitet: vom EU-Asien-Gipfel Ende der Woche über den Klimaschutz bis zu Brexit und Migrationspolitik.
Was eine Vereinbarung mit Großbritannien über einen geregelten Brexit betrifft, zeigten sich beide „vorsichtig optimistisch“. Rutte: „Wir sind der Lösung sehr nahe.“Kurz: „Wir werden alles tun, um einen harten Brexit zu vermeiden.“Die Frage der irischen Grenze sei sogar eher einfacher zu lösen, als andere Fragen, sagte Kurz.
Was die Migrationspolitik betrifft: „Ein Europa, das schützt“hatte Sylvia Wörgetter berichtet für die SN aus Den Haag Sebastian Kurz zum Motto für Österreichs Vorsitzführung gewählt. Ein wesentliches Ziel ist es, unkontrollierte Zuwanderung vor allem aus Afrika und Asien einzudämmen. Nach der Schließung der Balkanroute soll auch der Weg über das Mittelmeer versperrt werden. Dabei setzt Kurz stark auf den Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex.
Doch der informelle EU-Gipfel in Salzburg Ende September ging ohne Ergebnisse zu Ende. Und noch immer sagen vor allem Italien und Ungarn Nein zum Frontex-Ausbau. Sie fürchten um ihre nationale Souveränität. Der Plan, der ursprünglich von der EU-Kommission kam, sieht nicht nur die Aufstockung der derzeit rund 1300 Grenzschutzbeamten auf 10.000 vor. Was manchen Ländern mit EU-Außengrenze vor allem aufstößt, ist der Passus, wonach die Grenzschützer auch von der EU-Kommission gerufen werden können, sollte ein Land seine Außengrenze nicht allein schützen können. Ungarns rechter Regierungschef Viktor Orbán wetterte gegen „Söldner“.
Sebastian Kurz muss also noch viel Überzeugungsarbeit leisten, und das nicht nur bei den genannten üblichen Verdächtigen. Beim Frontex-Ausbau stand auch Rutte auf der Bremse. Die Niederlande seien dazu noch nicht bereit, hatte er auf dem Salzburg-Gipfel gesagt, auch aus finanziellen Gründen. Am Montag betonte Rutte jedoch die Wichtigkeit des Außengrenzschutzes durch Frontex. Ob es tatsächlich 10.000 Beamte sein müssen sei aber noch die Frage. Man müsse erst den genauen Bedarf feststellen. Insgesamt aber eint Rutte und Kurz mehr, als sie trennt. Beide lehnen zum Beispiel höhere Beiträge ins nächste EU-Budget ab. Zuerst eine schlankere EU-Bürokratie, dann mehr Geld, so argumentieren sie als Vertreter von Nettozahler-Ländern.