„Da hört sich der Spaß auf“
Turbulenter Auftakt im Prozess gegen 14 Mitglieder des „Staatenbunds Österreich“in Graz. Warum der Staatsanwalt Parallelen zwischen den Dschihadisten und den Angeklagten sieht.
GRAZ. Sie trug teilweise geflochtenes Haar, einen hellroten Pullover, ein Halstuch und in der Hand hielt sie einen Berg Akten. Anders als zwei Mitangeklagte, die ihr Gesicht mit Mappen und Broschüren zu verbergen versuchten, gab sich die 42-jährige Erstangeklagte betont selbstbewusst, erhobenen Hauptes und mit einem süffisanten Lächeln. Die Rede ist von der „Frau Präsidentin“. Jener Frau, die den „Staatenbund Österreich“aufgebaut und geleitet hat und sich nun unter anderem wegen Hochverrats und der Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung im Grazer Straflandesgericht verantworten muss.
Verbale Scharmützel prägten den Auftakt der bis 19. Dezember anberaumten Hauptverhandlung gegen die insgesamt 14 mutmaßlichen Staatsverweigerer: Bei der Überprüfung der Generalien schüttelte die Hauptbeschuldigte bei der Nennung ihres Namens den Kopf: Es handle sich um eine „Personenstandsfälschung“, sie sei ein „Lebewesen aus Fleisch und Blut“. „Das ist nicht Ihre Bühne, sondern meine“, entgegnete die Richterin, worauf der „Staatenbund-Vizepräsident“– ein pensionierter Gendarm und Polizist – diese aufforderte, sich überhaupt erst einmal zu legitimieren. Nach solchen oder ähnlichen Bemerkungen sowie Zwischenrufen (z. B. „Das ist Faschismus pur“, „Lachfiguren!“oder „Verhetzung!“) ließ die Richterin die Angeklagten mehrfach für ein paar Minuten aus dem Saal führen. Ein weiterer Angeklagter, ein Deutscher, der vor dem Fotografen mit Victory-Gesten und seinen Tätowierungen posiert hatte, rief in den Saal: „Was für eine feine Gesellschaft heute!“Auch er wurde mehrmals des Saales verwiesen. Zur Abkühlung der Gemüter.
Großes Gedränge im Großen Schwurgerichtssaal: Während die Besucherbänke nur schütter besetzt waren, haben 60 Personen Platz genommen, die aktiv in den Prozess involviert sind: Richter, Staatsanwalt, Angeklagte, Verteidiger, Sicherheitskräfte, Geschworene und Ersatzgeschworene. Einer von ihnen konnte die Angelobungsformel nicht nachsprechen, was neuerlich hitzige Diskussionen provozierte. „Einspruch! Der versteht kein Wort Deutsch“, schrie ein Angeklagter, die Richterin schickte den Ersatzgeschworenen nach Hause. In einem mehrstündigen Vortrag verwies der Staatsanwalt auf die seiner Ansicht nach existierenden Parallelen zwischen dem „Staatenbund Österreich“und den Dschihadisten: „Das Muster ist dasselbe. Da glaubt eine Gruppe, etwas Besseres, Höheres zu sein und sich über die staatliche Ordnung hinwegsetzen zu können.“So habe die Erstangeklagte etwa ihr Kind aus der Schule genommen, um es mit ihrer eigenen Ideologie zu unterrichten: „Das machen die Dschihadisten auch.“
Der Staatsanwalt versuchte nachzuweisen, dass die „Staatenbund“Gründung keine eigenständige Erfindung gewesen sei. Gruppierungen in Amerika oder die Reichsbürger in Deutschland seien die Vorbilder gewesen, wie diese habe auch der „Staatenbund“in seinen Veranstaltungen „Hass und Verachtung gegenüber dem Rechtsstaat gesät“. Ziel der Bewegung sei es gewesen, ein „eigenes Staatsgefüge nach eigenen Idealen“zu gründen. Nachsatz des Staatsanwalts: „Sie wollten binnen weniger Monate 216 Leute verhaften lassen. Ich will nicht in einem Staat leben, in dem das Pseudorecht der Angeklagten gilt.“Die „Staatenbund“-Anführerin fühle sich durch eine „Bestallungsurkunde vom Deutschen Reich“legitimiert, sie sei „eine der führenden Hasspredigerinnen Österreichs“. Zu den konkreten Plänen: Aus der Nationalbank hätte ein „Haus der Schöpfung“werden sollen, ein „Haus der Fülle“hätte die Banken ersetzen sollen. Und: Mit dem „Österreicher“sei bereits eine neue Währung geplant gewesen. Um eine „Übergangsregierung“einzusetzen, habe die „Staatenbund“-Führung das Militär als „bewaffneten Arm“für sich gewinnen wollen: „Da hört sich der Spaß auf.“Man habe laut Staatsanwalt immer wieder heimische Militärpolizisten kontaktiert, um die geplanten Verhaftungen des Bundespräsidenten und von Regierungsmitgliedern durchzusetzen: „Das war kein Faschingsscherz, für sie war das Ernst. Das waren überzeugte Fanatiker, die alles für ihre Sache gemacht haben.“
Der Verteidiger der Erstangeklagten sagte, das Delikt „Versuchte Bestimmung zum Hochverrat“sei noch nie in einem österreichischen Verfahren vorgekommen. Dieses Gesetz diene dazu, Staatsstreiche hintanzuhalten, während „diese Menschen nur ein etwas verqueres Gedankengut“hätten. Der Prozess wird heute, Dienstag, fortgesetzt.
„Die Erstangeklagte ist eine der führenden Hasspredigerinnen.“