Wenn der Tourismus seine absurde Seite zeigt
Der Skistart der Kitzbüheler Bergbahnen sorgt für Kopfschütteln – und manifestiert Auswüchse einer Branche, von der Westösterreich lebt.
Marketing verführt uns, bestimmt und prägt unsere Kaufabsichten. In der Regel umschmeichelt und betört es die Menschen. Manchmal geht ein vermeintlich genialer PR-Gag aber nach hinten los – macht nicht Gusto, sondern offenbart die Absurdität von Absichten und fragwürdige Fehlentwicklungen.
Die Kitzbüheler Bergbahnen inszenieren dieser Tage einen maximal frühen Skistart auf einem schmalen, aus Depots präparierten Schneeband in rundum sattgrüner Landschaft auf der Mittersiller Resterhöhe. In einem Herbst, der sonniger nicht sein könnte. Ein Herbst, der bei 20 Grad Celsius zum Wandern einlädt, zum Verweilen in der Natur, vielleicht sogar ans Baden denken lässt, aber sicher keine Sekunde ans Skifahren.
Es hätte den Tirolern klar sein müssen, selbst wenn sie diesen frühen Winterstart seit Jahren zelebrieren: Inmitten dieses goldenen Herbstes kann die Einladung zum Skifahren bei den Menschen nur Kopfschütteln und spöttische Kommentare auslösen. Doch der vermeintliche PR-Schlag trifft nicht nur den Verursacher. Er schadet einer Branche, die ganze Regionen und Täler des Landes zwar ausgezeichnet ernährt, aber immer öfter im Verdacht von Allmachtsfantasien steht. Kritiker sagen schon lange: Der Tourismus und die Wintersportindustrie kennen keine Grenzen. Sie bekommen nie genug, wollen immer mehr. Und sie haben – entschuldigen Sie die Zuspitzung – offenbar jede Scheu verloren, ihre Wachstumsfantasien auf Kosten der Natur durchzusetzen. Wider jede Vernunft. Wider die eigene Geschäftsbasis. Wider unser aller Lebensgrundlagen.
Der Tourismus trotzt jeder Krise, er schafft immer neue Rekorde, mehrt jedes Jahr sein Einkommen – und damit auch den Wohlstand Westösterreichs. Wie die Bilder von der Resterhöhe zeigen, geht in diesem Höhenflug zusehends die Bodenhaftung verloren.
Gerade weil die Wintersportindustrie so erfolgreich war und ist, gerade weil sie so eminent wichtig ist, muss sie dringend die Demut neu entdecken – Demut vor der Natur, der sie ihre Erfolge verdankt. Demut vor den Einheimischen, deren Wohlwollen und Unterstützung sie nicht aufs Spiel setzen darf. Und Demut vor der eigenen Stärke, die Bergbahnen und Touristiker allein wegen der globalen klimatischen Umwälzungen im Winter noch dringend brauchen werden. Womit sich der Bogen zu den absurd anmutenden Bildern von der Resterhöhe schließt: Sind sie gar als unheilverkündende Warnung, als Vorzeichen drohenden Unheils zu deuten?