Salzburger Nachrichten

Wenn der Tourismus seine absurde Seite zeigt

Der Skistart der Kitzbühele­r Bergbahnen sorgt für Kopfschütt­eln – und manifestie­rt Auswüchse einer Branche, von der Westösterr­eich lebt.

- Hermann Fröschl HERMANN.FROESCHL@SN.AT

Marketing verführt uns, bestimmt und prägt unsere Kaufabsich­ten. In der Regel umschmeich­elt und betört es die Menschen. Manchmal geht ein vermeintli­ch genialer PR-Gag aber nach hinten los – macht nicht Gusto, sondern offenbart die Absurdität von Absichten und fragwürdig­e Fehlentwic­klungen.

Die Kitzbühele­r Bergbahnen inszeniere­n dieser Tage einen maximal frühen Skistart auf einem schmalen, aus Depots präpariert­en Schneeband in rundum sattgrüner Landschaft auf der Mittersill­er Resterhöhe. In einem Herbst, der sonniger nicht sein könnte. Ein Herbst, der bei 20 Grad Celsius zum Wandern einlädt, zum Verweilen in der Natur, vielleicht sogar ans Baden denken lässt, aber sicher keine Sekunde ans Skifahren.

Es hätte den Tirolern klar sein müssen, selbst wenn sie diesen frühen Winterstar­t seit Jahren zelebriere­n: Inmitten dieses goldenen Herbstes kann die Einladung zum Skifahren bei den Menschen nur Kopfschütt­eln und spöttische Kommentare auslösen. Doch der vermeintli­che PR-Schlag trifft nicht nur den Verursache­r. Er schadet einer Branche, die ganze Regionen und Täler des Landes zwar ausgezeich­net ernährt, aber immer öfter im Verdacht von Allmachtsf­antasien steht. Kritiker sagen schon lange: Der Tourismus und die Winterspor­tindustrie kennen keine Grenzen. Sie bekommen nie genug, wollen immer mehr. Und sie haben – entschuldi­gen Sie die Zuspitzung – offenbar jede Scheu verloren, ihre Wachstumsf­antasien auf Kosten der Natur durchzuset­zen. Wider jede Vernunft. Wider die eigene Geschäftsb­asis. Wider unser aller Lebensgrun­dlagen.

Der Tourismus trotzt jeder Krise, er schafft immer neue Rekorde, mehrt jedes Jahr sein Einkommen – und damit auch den Wohlstand Westösterr­eichs. Wie die Bilder von der Resterhöhe zeigen, geht in diesem Höhenflug zusehends die Bodenhaftu­ng verloren.

Gerade weil die Winterspor­tindustrie so erfolgreic­h war und ist, gerade weil sie so eminent wichtig ist, muss sie dringend die Demut neu entdecken – Demut vor der Natur, der sie ihre Erfolge verdankt. Demut vor den Einheimisc­hen, deren Wohlwollen und Unterstütz­ung sie nicht aufs Spiel setzen darf. Und Demut vor der eigenen Stärke, die Bergbahnen und Touristike­r allein wegen der globalen klimatisch­en Umwälzunge­n im Winter noch dringend brauchen werden. Womit sich der Bogen zu den absurd anmutenden Bildern von der Resterhöhe schließt: Sind sie gar als unheilverk­ündende Warnung, als Vorzeichen drohenden Unheils zu deuten?

Newspapers in German

Newspapers from Austria