Neue Mittelschule: Direktor warnt vor Rückschritt
Die von Wien geplanten Änderungen in den Neuen Mittelschulen seien zum Scheitern verurteilt, meint ein Schulleiter.
Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will an den Neuen Mittelschulen (NMS) zwei Leistungsniveaus einführen (siehe Kasten). Der Direktor der Musikmittelschule Henndorf, Christian Leitner, hält das für den falschen Weg. An seiner Schule werden 223 Schüler unterrichtet, pro Schulstufe gibt es eine Musikklasse. Dort sitzen Schüler aus 15 Gemeinden. SN: Was stört Sie an der geplanten Einführung von Leistungsniveaus? Leitner: Ich halte das für einen totalen Rückschritt. Noch dazu soll dieses System schon ab der zweiten Klasse kommen. Dann haben wir wieder die Schubladen wie früher die Leistungsgruppen oder noch früher die Klassenzüge. Jeder Schüler hat das Recht auf den besten Unterricht, und der muss für alle Schüler gleich sein. Nicht wir Lehrer sollen entscheiden, was ein Kind schafft, sondern das Kind selbst soll zeigen, was es kann und was nicht. Ich habe zig Mal erlebt, dass Kinder, die man früher in der Hauptschule in die dritte Leistungsgruppe gegeben hätte, in der NMS Leistungen gebracht haben, die man ihnen nie zugetraut hätte. Sie hätten auch gar keine Chance gehabt, sich zu beweisen, weil sie mit diesen Lerninhalten gar nicht in Berührung gekommen wären. Für die Schüler ist der Rückschritt in dieses Schubladensystem fatal. SN: Minister Faßmann will mit der Reform auch die NMS in den Städten attraktiver machen und so den Zug ins Gymnasium bremsen. Der Minister wird dieses Ziel nicht erreichen. Seit Jahrzehnten wird an der Sekundarstufe I, das ist die Altersstufe der Zehn- bis 14-Jährigen, herumgedoktert, um sie attraktiver zu machen. Der Grund ist, dass die Gymnasien in den Städten längst die Rolle der Hauptschule/NMS übernommen haben. Sie nehmen wissentlich in Kauf, dass sie in der AHS-Unterstufe Schüler unterrichten, die dort nichts verloren haben. In den Städten geht die absolute Mehrheit der Volksschulabgänger ins Gymnasium. Was soll sich bitte daran ändern? Viele Eltern werden sich denken: „Bevor mein Kind in der Mittelschule Gefahr läuft, doch nur das Leistungsniveau Standard zu schaffen, schicke ich es gleich aufs Gymnasium. Da ist es automatisch im Standard-AHS-Niveau und damit berechtigt, in die Oberstufe jeder höheren Schule zu wechseln.“ SN: Viele Abgänger an Ihrer Schule schaffen locker das Gymnasium. Was machen Sie anders? Wir haben zum einen den enormen Vorteil, dass wir 75 bis 85 Prozent aller Henndorfer Volksschulabgänger an unsere Schule bekommen. Wir haben damit eine gute Stärken-SchwächenMischung. Dazu kommt, dass in jeder der vier Musikklassen viele überdurchschnittlich musikalisch begabte, leistungsstarke und belastbare Jugendliche aus benachbarten Gemeinden sind. Wären sie nicht bei uns, gingen die meisten von ihnen ins Gymnasium. Und dann besteht die Kunst darin, die guten Schüler so zu fordern, dass sie Freude am Lernen haben und nicht eingebremst werden. Jene, die weniger schnell lernen, sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten aber auch dazu gebracht werden, das Beste aus sich herauszuholen. Es dürfen keine dauerhaften Leistungsgruppen gebildet werden, weil so allen Schülern die Chance genommen wird, voneinander zu lernen. Vor allem fehlt den weniger Leistungsstarken das positive Beispiel. Zeichnet sich jedoch ab, dass einige das Minimalziel nicht erreichen, werden sie temporär rausgenommen und gefördert. Es hat auch Sinn, die Leistungsstarken immer wieder in einer eigenen Lerngruppe mit zusätzlichen Lerninhalten zu fordern. SN: Sind Sie ein Verfechter der Gesamtschule? Zwei kleine Schritte vor und dann wieder zwei große zurück – das meine ich mit dem Herumdoktern – bringen gar nichts. Ich bin felsenfest der Überzeugung, dass nur eine große Reform, die gemeinsame Schule der Sechsbis 15-Jährigen, zum Ziel führen kann. Das würde viel Druck von den Volksschülern, den Lehrern und auch den Eltern nehmen, weil sie nicht ihre Zehnjährigen Kinder partout ins Gymnasium