Wissen ist Macht! Aber nichts wissen macht manchmal auch nichts
Unser Hirn weiß viel mehr, als wir denken. Wir wären schön blöd, wenn wir diese Erkenntnis nicht für mehr Genuss ausnutzen würden.
Ob wir es wollen oder nicht: Wir werden von einem kleinen Diktator beherrscht. Er sitzt in unserem Kopf und trifft ständig Entscheidungen. Wir nennen ihn Hirn. Oder besser: Unser Diktator wollte, dass wir ihn Hirn nennen. Er verfügt über 5,8 Millionen Nervenbahnen. Diese Länge entspricht einem 145-fachen Erdumfang. Was eine solide Basis für Entscheidungen wäre. Andererseits: Unser Diktator ist so gut vernetzt, dass er fast schon zu viel weiß.
Ein Beispiel: Für eine Studie der Stanford University legten sich 20 Sommeliers in einen Kernspintomografen. Darin testeten sie fünf verschiedene Weine. Jede Flasche wurde präsentiert und sogar der Preis genannt. Und genau das war zu viel Information. Tatsächlich wurden nämlich nur drei Weine gereicht und zwei davon wurden zwei Mal mit unterschiedlichen Preisangaben ausgeschenkt. Bei der Untersuchung der Hirnaktivität der Sommeliers stellte sich heraus: Allein die Nennung des Preises hat schon gereicht, um die Aktivitäten im präfrontalen Cortex und damit das Urteil der Experten entscheidend zu beeinflussen. Die vermeintlich teuren Weine wurden stets besser beurteilt als die billigen. Obwohl es sich bei den „teuren“Weine um dieselben billigen handelte. Sie kennen das sicher auch vom Urlaub. Der Wein, der Sie am Meeresufer noch verzaubert hat, schmeckt daheim bei trübem Wetter nur noch nach nassen Socken. Wenn Sie Glück haben, dann war dieser Wein wenigstens teuer. Dann würde Ihr Hirn befehlen: „Muss trotzdem schmecken!“Außer vom Preis lassen sich Weinliebhaber von Sommeliers den Geschmack vernebeln. Diese Berufsgruppe trifft sich regelmäßig zu Degustationen, auch Bottle-Battles genannt. Beim wortreichen Besingen neuer Weine orientieren sich Sommeliers am Gangsta-Rap. Denn inhaltlich geht es fast immer um Mode, Sex, Sport und Politik. Hier ein Auszug der Beschreibung eines Rot- weins: ... er besitzt ein schwarzes Kleid (Mode), ... pikante süße Kirschen, vollmundig, sinnlich (Sex), ... ein reaktionärer Gevrey (Politik), ... wird sich bis 2020 in Bestform befinden (Sport). Und noch etwas fiel Germanisten auf: Die Nähe zur Hagiografie, also zur Heiligenlegende. Solche wurden im Mittelalter von Klerikern verfasst, nur um andere Kleriker zu beeindrucken. Ein Beispiel dafür aus einem Weinmagazin: Der fleischig saftige Vollgas-Sauvignon bewahrt trotz Bombenfrucht Eleganz und breitet am Gaumen ein leuchtend farbiges Aromengeflecht aus. Da flippt doch jedes Hirn aus, oder? Was lernen wir daraus? Der teuerste Wein der Welt wird uns nicht schmecken, wenn er bei Tisch von Besserwissern zu Tode geschwafelt wird. Dafür kann uns der einfachste Wein in Gesellschaft unwissender aber liebenswerter Menschen unendlich glücklich machen.