Kürzung der Familienbeihilfe trifft die Kinder im Ausland
Der heutige Beschluss im Nationalrat soll Einsparungen von 100 Millionen Euro bringen. Das letzte Wort dürfte aber der Europäische Gerichtshof haben.
Mehr als 250 Millionen Euro hat Österreich im Vorjahr an Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder von in Österreich arbeitenden EU-Bürgern bezahlt. Im Jahr davor waren es sogar mehr als 270 Millionen Euro gewesen. Mit diesen hohen Zahlungen soll nun Schluss sein. Trotz zahlreicher Widerstände und rechtlicher Bedenken beschließen ÖVP und FPÖ heute, Mittwoch, im Nationalrat die Indexierung der Familienbeihilfe. Das heißt, ihre Höhe richtet sich ab 2019 nach den Lebenshaltungskosten in den Ländern, in denen die Kinder leben. Und da dies meist osteuropäische Länder sind, rechnet die Regierung mit Einsparungen in der Größenordnung von 100 Millionen Euro. Die Höhe der Familienbeihilfe steigt mit dem Alter und der Kinderzahl. Für die Kleinsten gibt es 114 Euro monatlich, für Kinder ab drei sind es 121,90 Euro, für Kinder ab zehn 141,50 Euro und für Jugendliche ab 19 sind es 165,10 Euro. Dazu können Geschwisterzuschläge kommen, die von 7,10 Euro pro Kind und Monat bis zu 52 Euro pro Kind reichen. Je- denfalls zur Beihilfe dazu kommt der Absetzbetrag in der Höhe von 58,40 Euro pro Kind und Monat.
Widerstand gegen die Indexierung kommt von den Ländern, die von der Kürzung betroffen sind, aber auch von der Opposition in Österreich und von der EU. Das letzte Wort dürfte der Europäische Gerichtshof haben.
WIEN. Nach Jahren der Diskussion ist es heute, Mittwoch, im Nationalrat so weit: Die Indexierung der Familienbeihilfe wird beschlossen. Für im Ausland lebende Kinder von in Österreich arbeitenden EU-Migranten wird es ab 2019 nicht mehr dasselbe Leistungsniveau geben wie für in Österreich lebende Kinder. Das Maß bestimmen künftig die Lebenshaltungskosten in den Ländern, in denen die Kinder leben. Das kann auch eine Draufgabe bedeuten. In den meisten Fällen wird es aber auf eine Kürzung der Familienbeihilfe (samt eventueller Zuschläge plus Absetzbeträge) hinauslaufen, da die mit Abstand meisten Kinder in Osteuropa leben. Die Regierung hofft auf Einsparungen in der Höhe von 100 Mill. Euro.
1.
Ist die Regelung europarechtskonform? Daran zweifeln nicht nur die von den Kürzungen betroffenen EULänder und die Oppositionsparteien in Österreich. Ihre Skepsis haben auch die EU-Kommission und der Präsident des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bekundet. Österreich hatte lang vergeblich versucht, für diesen Schritt Verbündete zu finden. Nun wagt man ihn allein, wissend, dass der EuGH das letzte Wort haben dürfte. Österreich argumentiert mit der besonderen (höchstgerichtlich untermauerten) Funktion der Familienbeihilfe. Sie hat ausdrücklich die Aufgabe, Eltern von der gesetzlich vorgeschriebenen Unterhaltspflicht zu entlasten, d. h.: Ein Teil der kindbezogenen Ausgaben muss ersetzt werden – und die sind in Österreich höher als anderswo.
2.
Wie viel Familienbeihilfe wird „exportiert“? 2017 waren es 253,2 Millionen Euro für rund 125.000 Kinder. Es war der erste Rückgang nach Jahren enormer Steigerungen. 2002 hatte Österreich für etwa 1500 Kinder Familienleistungen „exportiert“. Innerhalb von 15 Jahren verhundertfachte sich die Kinderzahl fast, die Kosten explodierten. Auch weil die Beihilfen bis zu fünf Jahre rückwirkend gewährt werden. Der bisherige Spitzenwert datiert aus 2016, als 272,5 Mill. Euro an Familienförderung für Kinder im EU-Ausland floss.
3.
Wie kam es zu den enormen Steigerungen? Zum Teil durch die Arbeitsmarktöffnung im Gefolge der EU-Erweiterung, zum Teil durch das Pflegeproblem in Österreich. Der Rech- nungshof wies im Juli aber darauf hin, dass es wohl auch deshalb zu den enormen Steigerungen kam, weil bei der Gewährung weniger kontrolliert wurde. Als grundsätzliches Problem macht der RH aus, dass die österreichischen Behörden keinen Zugang zu ausländischen Melde- und Sozialversicherungsdaten haben. Und deshalb werde auch – sei die Familienbeihilfe einmal gewährt – de facto bis zur Volljährigkeit gezahlt, ohne zu kontrollieren.
4.
Droht Personalnot bei der 24-Stunden-Betreuung? Für Tausende 24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa ist die (auch im internationalen Vergleich) hohe österreichische Familienbeihilfe wichtiger Einkommensbestandteil. Umfragen sagen, dass ein Teil der Mütter überlegt, ihr Engagement zu beenden. Tun sie es tatsächlich, kann das zu Engpässen führen. Aber kaum zu einem Notstand. Nach jüngsten Daten aus dem Sozialministerium werden aktuell 45.000 Pflegebedürftige von 88.000 ausländischen 24-StundenBetreuerinnen versorgt. 80 Prozent kommen aus der Slowakei und Rumänien. Ein Teil hat (noch) keine Kinder, bei einem Teil sind sie bereits aus dem Haus. Die Indexierung trifft damit nicht alle.