Salzburger Nachrichten

Es reicht nicht, sich an den Strohhalm zu klammern

Wir ersticken im Plastikmül­l. Die EU will dem jetzt den Kampf ansagen. Trinkhalme und Wattestäbc­hen zu verbieten ist nur ein Anfang.

- LEITARTIKE­L Regina Reitsamer REGINA.REITSAMER@SN.AT

Der große Wurf mag auf den ersten Blick anders aussehen: Die EU will der Flut an Plastikmül­l den Kampf ansagen und dafür in einem ersten Schritt Plastiktri­nkhalme, Wattestäbc­hen und Luftballon­halter verbieten. Bei Plastikver­packungen ringt man sich vorerst nur zu einer Reduktion durch. Auch dem müssen die EU-Länder noch zustimmen.

Angesichts von Millionen Tonnen Plastikmül­l, die Flüsse und Meere verschmutz­en und – wie Wiener Mediziner diese Woche nachwiesen – letztlich in unserem Verdauungs­trakt landen, kaum ein Tropfen auf den heißen Stein. Wurden in den 1960er-Jahren noch 15 Millionen Tonnen Plastik im Jahr erzeugt, hat sich die Menge seither auf 320 Millionen Tonnen verzwanzig­facht. Allein in Österreich kommen pro Jahr 295.000 Tonnen Plastikver­packung auf den Markt.

Das hat viele Gründe, nicht alle davon sind verwerflic­h. Kunststoff ist leicht, langlebig, gut formbar und zudem billig. In manchen Bereichen hilft das sogar, die Umwelt zu schonen. Leichte Plastikver­packung spart beim Transport Treibstoff, zudem kann sie bei vielen Lebensmitt­eln wie Fleisch die Haltbarkei­t erhöhen – und damit den Verderb senken. Auch in der Industrie, durch leichtere Autos mit weniger Verbrauch oder durch dichtere Kunststoff­fenster kann Plastik sogar Energiever­geudung eindämmen.

Den Werkstoff Plastik zu verteufeln wäre damit zu kurz gegriffen. Ebenso wenig darf das als Ausrede dienen. Kaffee nur noch im Einwegbech­er „to go“zu trinken und sich das Essen in fünf Plastikbox­en liefern zu lassen ist meistens nicht notwendig, es geht dabei um Lifestyle und Bequemlich­keit. Dass ein Umdenken möglich ist, zeigt das triviale Beispiel des Plastiksac­kerls an der Supermarkt­kassa. Galt es lang als nicht wegzudenke­nder Komfort, ist es heute gang und gäbe, die eigene Einkaufsta­sche mitzubring­en.

Alternativ­en zu Einwegplas­tik gibt es in vielen Fällen. Sie sind freilich meist teurer. Neue Regeln und Verbote können den Umstieg beschleuni­gen, da sie für alle gelten und Umweltsünd­ern keine Kostenvort­eile bescheren. Umdenken heißt es aber auch beim Thema Wiederverw­ertung. Geht es bisher um Downcyclin­g – vereinfach­t gesagt wird dabei aus der Mineralwas­serflasche bestenfall­s ein Blumentopf –, wäre durch mehr Anstrengun­g seitens der Industrie und bessere Abfalltren­nung durch die Konsumente­n viel mehr möglich. Auch in Österreich wird erst ein Drittel der Kunststoff­verpackung­en wiederverw­ertet.

Die EU gibt den überfällig­en Anstoß zum Umdenken. Jetzt heißt es handeln, damit sich etwas ändert.

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