Es reicht nicht, sich an den Strohhalm zu klammern
Wir ersticken im Plastikmüll. Die EU will dem jetzt den Kampf ansagen. Trinkhalme und Wattestäbchen zu verbieten ist nur ein Anfang.
Der große Wurf mag auf den ersten Blick anders aussehen: Die EU will der Flut an Plastikmüll den Kampf ansagen und dafür in einem ersten Schritt Plastiktrinkhalme, Wattestäbchen und Luftballonhalter verbieten. Bei Plastikverpackungen ringt man sich vorerst nur zu einer Reduktion durch. Auch dem müssen die EU-Länder noch zustimmen.
Angesichts von Millionen Tonnen Plastikmüll, die Flüsse und Meere verschmutzen und – wie Wiener Mediziner diese Woche nachwiesen – letztlich in unserem Verdauungstrakt landen, kaum ein Tropfen auf den heißen Stein. Wurden in den 1960er-Jahren noch 15 Millionen Tonnen Plastik im Jahr erzeugt, hat sich die Menge seither auf 320 Millionen Tonnen verzwanzigfacht. Allein in Österreich kommen pro Jahr 295.000 Tonnen Plastikverpackung auf den Markt.
Das hat viele Gründe, nicht alle davon sind verwerflich. Kunststoff ist leicht, langlebig, gut formbar und zudem billig. In manchen Bereichen hilft das sogar, die Umwelt zu schonen. Leichte Plastikverpackung spart beim Transport Treibstoff, zudem kann sie bei vielen Lebensmitteln wie Fleisch die Haltbarkeit erhöhen – und damit den Verderb senken. Auch in der Industrie, durch leichtere Autos mit weniger Verbrauch oder durch dichtere Kunststofffenster kann Plastik sogar Energievergeudung eindämmen.
Den Werkstoff Plastik zu verteufeln wäre damit zu kurz gegriffen. Ebenso wenig darf das als Ausrede dienen. Kaffee nur noch im Einwegbecher „to go“zu trinken und sich das Essen in fünf Plastikboxen liefern zu lassen ist meistens nicht notwendig, es geht dabei um Lifestyle und Bequemlichkeit. Dass ein Umdenken möglich ist, zeigt das triviale Beispiel des Plastiksackerls an der Supermarktkassa. Galt es lang als nicht wegzudenkender Komfort, ist es heute gang und gäbe, die eigene Einkaufstasche mitzubringen.
Alternativen zu Einwegplastik gibt es in vielen Fällen. Sie sind freilich meist teurer. Neue Regeln und Verbote können den Umstieg beschleunigen, da sie für alle gelten und Umweltsündern keine Kostenvorteile bescheren. Umdenken heißt es aber auch beim Thema Wiederverwertung. Geht es bisher um Downcycling – vereinfacht gesagt wird dabei aus der Mineralwasserflasche bestenfalls ein Blumentopf –, wäre durch mehr Anstrengung seitens der Industrie und bessere Abfalltrennung durch die Konsumenten viel mehr möglich. Auch in Österreich wird erst ein Drittel der Kunststoffverpackungen wiederverwertet.
Die EU gibt den überfälligen Anstoß zum Umdenken. Jetzt heißt es handeln, damit sich etwas ändert.