Die Republik erwacht und geht wieder unter
Von den ersten Parlamentswahlen bis zum Anschluss: In Wien und Graz blicken Ausstellungen zum Jubiläumsjahr auf Österreichs Geschichte.
Heute, in einer Zeit der digitalen Bilderflut, ist es kaum noch vorstellbar: Aber in den Jahren 1918 und 1919, als die Monarchie zerfallen war und die Geburt der Republik bevorstand, spiegelten die Berichte über die Umbrüche in Österreich auch medial eine neue Ära. „Erstmals spielte sich ein revolutionärer Regimewechsel vor den Augen der Kamera ab“, schreibt Anton Holzer, Kurator der Ausstellung „Die erkämpfte Republik“, im Katalog zur Schau. Als Beitrag zum Jubiläumsjahr 2018 dokumentiert das Wien Museum die ereignisreichen Jahre anhand historischer Fotos. Ein Bild, das 1919 im „Interessanten Blatt“erschien, zeigte etwa eine Wahlkampfkundgebung vor der ersten Parlamentswahl: „Unsere Zukunft ist bürgerlich-demokratisch!“ oder „Hoch die Republik“war auf Plakaten zu lesen. Andere Fotografien der Zeit zeigen Soldaten, die 1918 den verwaisten Kaiserpalast bewachen, Frauen, die von der Hungersnot nach dem Krieg getrieben im Müll nach Essbarem wühlen, russische Kriegsgefangene vor der Heimkehr oder die Menschenmenge bei der Ausrufung der Republik Deutschösterreich in Wien am 12. November 1918.
Die Bilder erzählten zwar einerseits von Jahren der Verluste, der Not und des Kampfes, andererseits aber auch vom „fundamentalen Gewinn der Demokratie“und Errungenschaften wie dem Frauenwahlrecht, schreibt Matti Bunzl, Direktor des Wien Museums, im Vorwort. Die Schau sei deshalb auch ein „Korrektiv gegen die Vorstellung einer nur durch militärische Niederlage entstandenen Republik“. Im Zentrum stehen Fotos von Richard Hauffe. Als wichtigster Fotojournalist der Ära habe er den Umbruch „leidenschaftlich und intensiv“begleitet, erläutert Anton Holzer.
Szenenwechsel nach Graz. Auch hier, im GrazMuseum, ist eine Ausstellung der Zwischenkriegszeit gewidmet. Die Schau „Im Kartenhaus der Republik. Graz 1918–1938“thematisiert die wechselnden politischen Machtverhältnisse, Schlüsselereignisse, die Biografien der handelnden Personen sowie gesellschaftliche Phänomene dieser Ära. Als Leitmotiv dient die demokratische Verfassung der Ersten Republik, einige Grundsätze daraus werden in sieben Räumen kritisch zur Diskussion gestellt, die Text- und Schautafeln verweisen dabei optisch auf die Titelgebung: stilisierte Kartenhäuser.
Von dem im altdeutschen Stil erweiterten Rathaus der „deutschesten Stadt der Monarchie“bis zum Vaterländische-FrontPlakat aus dem Jahr 1938 („Wenn wir ,Österreich‘ sagen, dann ist es ein Gebet: Herr Gott, laß uns als freie Männer in einem freien Lande leben!“) spannt sich der Bogen einer Schau, die keine „heroische Republiksausstellung“sein, sondern zu einem „Nachdenken über Werte“anregen will. Das gelingt etwa in Kapiteln, in denen Geschlechterbilder oder die Sehnsucht nach Heimat in den 1930er-Jahren erörtert wird. Das zur urbanen (Konsum-)Kultur entworfene ländlich geprägte Gegenbild weist Parallelen zur Gegenwart auf.
Ein Fotoessay von Emil Gruber führt zu markanten Orten der Grazer Historie und zeigt pointiert deren heutiges Aussehen.