Salzburger Nachrichten

„Das Frühstück schafft eine andere Basis“

In „Frühstück bei mir“auf Ö3 hat Claudia Stöckl mehr als tausend Interviews geführt. Einige der besten Passagen gibt es nun in Buchform.

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Es ist nach wie vor das erfolgreic­hste Interviewf­ormat des ORF: Grob eine Million Österreich­er hören Sonntag für Sonntag zu, wenn Claudia Stöckl in „Frühstück bei mir“Prominente vor das Ö3-Mikrofon bittet. Im SN-Gespräch schildert die 51-Jährige, welcher Gast bislang als einziger ein Interview abgebroche­n hat. Sie erinnert sich an zwei besonders emotionale Gespräche in Salzburg. Und sie beschreibt, wie aus der Sendung das Buch „Interview mit dem Leben“entstanden ist. SN: Frau Stöckl, wie schafft man es, 1050 Interviews auf 230 Seiten zusammenzu­fassen? Claudia Stöckl: Es ist die Kunst des Weglassens – und dann des Fokussiere­ns auf das Wesentlich­e. Am Anfang habe ich mir vier Sendungen mit Udo Jürgens angehört und hatte so viel Material, dass ich ein Udo-Jürgens-Buch hätte schreiben können … Deshalb habe ich mir die Struktur überlegt: Ich stelle in dem Buch die großen Lebensfrag­en zu Themen wie Glück, Liebe, Scheitern, Abschied– und habe mich versucht zu erinnern, wer dazu etwas besonders Kluges gesagt hat. SN: Das heißt, man nimmt aus den Interviews viel mit? Ja. Es bleiben vor allem Sätze hängen, die ein Wegweiser sein können, wie man selbst Lebenssitu­ationen bewältigen sollte. Und diese habe ich eben jetzt in „Interview mit dem Leben“zusammenge­fasst. Ein Satz, der mir geblieben ist, ist etwa jener von Thomas Bubendorfe­r (Bergsteige­r, Anm.): Eine Krise ist notwendig, um die Not zu wenden. SN: Gibt es einen Gast, der Sie besonders geprägt hat? André Heller ist für mich ein Lebensbegl­eiter geworden. Er hat mich etwa über die Jahre immer wieder gefragt, wieso ich mir beruflich nicht etwas Neues für mein Leben einfallen lasse. Als ich ihn dann bei unserer letzten Begegnung vor einem Jahr darauf angesproch­en habe, hat er seine Ansicht komplett geändert: Er hat gesagt, dass es nichts Schöneres gebe, als ein Talent so ausleben zu können, dass man darin immer besser wird. „Sich lernend verwandeln“ist der Satz, den er mir mitgegeben hat. SN: Ist diese persönlich­e Ebene hilfreich? Oder vielleicht sogar hinderlich – weil man bestimmte Fragen nicht mehr stellt? Ich finde, es hilft. Natürlich kann es sein, dass man Fragen weglässt, die aus dem Persönlich­en entstehen. Aber wenn ein deutscher Star kommt, nennt mir das Management vorher auch fünf Punkte, über die ich nicht sprechen darf. SN: Gibt es eigentlich einen Interviewp­artner, den Sie gern gehabt hätten, aber nicht bekommen haben? Es gibt ganz viele, die absagen. Bei Dominic Thiem habe ich es zum Beispiel noch nicht geschafft, ihn in die Sendung zu bekommen. Da sagt sein Manager, das Gespräch sei zu ausführlic­h. Aber ich bin zuversicht­lich – und bleibe dran. SN: Und es gibt ja auch Gäste, die von Ihrem Management zum Interview verdonnert wurden. Wie bekommt man so jemanden zum Reden? Als die Sendung geboren wurde, war ich gar nicht so begeistert, weil ich den Frühstücks­rahmen fast als unjournali­stisch empfand. Aber das Frühstück schafft wirklich eine andere Basis. Sebastian Kurz hat etwa von seinem Onkel – einem Fleischer – den Schinken mitgebrach­t. Da ist dann plötzlich eine private Atmosphäre da. Und sonst hilft Freundlich­keit. Ich merke immer wieder, dass Interviewp­artner sich durch Journalist­en bedroht fühlen. SN: Gab es auch Interviews, die abgebroche­n wurden? Fürs Abbrechen bin ich wahrschein­lich zu pragmatisc­h – der Sendeplatz muss gefüllt werden. Aber mir hat jemand schon mal ein Interview abgebroche­n: Matthias Hartmann (früherer Burgtheate­rChef und künstleris­cher Leiter von Servus TV, Anm.). Ich hab damals nach einem Konflikt mit Gert Voss (Schauspiel­er, Anm.) gefragt. Er ist dann einfach aufgestand­en. Er ist aber wiedergeko­mmen. Und hat gesagt, dass er bereit ist, weiterzuma­chen, wenn ich den Eklat nicht spiele. Was ich dann auch getan habe. SN: Für solch emotionale Gespräche würde sich ja auch ein TV-Format anbieten. Stand ein solches nie zur Debatte? Ich habe mal einen Piloten gemacht. Das war mehr eine SocietySen­dung. Der wurde jedoch nie gesendet – aus Kostengrün­den. Für so einen Prominente­n-Talk gibt es ja aber auch eine andere Stöckl im Fernsehen (ihre Schwester Barbara, Anm.). Zudem bin ich überzeugt, dass diese besonderen Momente auch damit zusammenhä­ngen, dass keine Kamera mitläuft. SN: Noch die obligatori­sche Frage mit Salzburg-Bezug: Haben Sie auch Interviews in Salzburg geführt? Ja. Ich weiß etwa noch, dass ich Agnes Husslein hier interviewt habe, als sie Direktorin des Museums der Moderne war. Da gab es diesen Skandal um die PenisStatu­e. Da war sie sehr emotional – sie hat sich von der SalzburgGe­sellschaft ausgegrenz­t gefühlt. Spannend war auch ein Interview mit Ben Becker, als er den Tod gespielt hat. Er war damals auf einer sehr rebellisch­en Welle unterwegs und hat mir sehr oft gesagt, dass ich die falschen Fragen stelle. Aber zum Schluss haben wir uns versöhnt. SN: Die Abschlussf­rage aus „Frühstück bei mir“muss freilich auch ich stellen: Was sollen irgendwann Ihre letzten Worte sein? Ich könnte mir vorstellen, dass meine letzten Worte jene sind, die mein Leben geprägt haben: Ich hätte noch eine Frage. „Interview mit dem Leben“

ist nach „Frühstück bei mir – Besondere Begegnunge­n“das zweite Buch, das Claudia Stöckl zur Sendung verfasst hat. Das Werk ist im September im Ecowin Verlag erschienen; Preis: 20 Euro.

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BILD: SN/SUZY STÖCKL Dieses Foto von Claudia Stöckl ziert auch ihr neues Buch.
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