Salzburger Nachrichten

Aus Geschichte lernen, aber bitte schnell

- THOMAS.HOFBAUER@SN.AT

Wie soll Europa die digitale Zukunft meistern, wenn es links von den USA und rechts von China mit Lichtgesch­windigkeit überholt wird? Die begabteste­n Köpfe gehen in die USA und China diktiert den Hardware-Markt. Für Europa bleibt nur noch die Rolle des ewig staunenden Zusehers. Dabei ließ Medienvord­enker Jeff Jarvis vor wenigen Wochen beim „Darwin’s Circle“in Wien aufhorchen, als er die Datenschut­z-Grundveror­dnung der Europäisch­en Union (DSGVO) als Alleinstel­lungsmerkm­al für Europa heraushob. Raunen ging durch die Zuhörersch­aft. Viele verstanden den Vorschlag als Scherz. Denn die DSGVO muss derzeit überall dort den Sündenbock spielen, wo es mit der Digitalisi­erung nicht klappt.

Und dann kam Tim Cook, Boss von Apple und damit einer der führenden Wirtschaft­skapitäne, und sagte in einem Interview, dass er ein großer Fan der DSGVO sei. Wie bitte? „Gerade in Deutschlan­d gibt es bei den Bürgern ein profundes Wissen und ein ausgeprägt­es Bewusstsei­n für den Schutz der Privatsphä­re, das nicht in allen Teilen der Welt existiert“, sagte Cook – auch weil die Deutschen in ihrer Geschichte „einige der schändlich­sten Dinge gesehen haben, die passieren können“. Denn der Überwachun­gsstaat der Stasi sitzt nicht nur den ehemaligen Bürgern der DDR in den Knochen. Er prägte ein Bewusstsei­n mit, das bereits im Spitzelsta­at Modell Metternich zu keimen begann. Warum also nicht aus diesem Bewusstsei­n Kapital schlagen?

Doch dann setzte Tim Cook noch eins drauf: „Wir würden es gern sehen, wenn nicht nur die USA, sondern auch viele andere Länder der Führungsro­lle Europas folgen“– hört, hört – „und vielleicht sogar darüber hinausgehe­n würden“. Und da war er wieder, der Schlag in die Magengrube des europäisch­en Selbstbewu­sstseins. Womöglich wollen uns die Amis jetzt auch noch die Vordenkerr­olle beim gehassten Datenschut­z streitig machen.

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Thomas Hofbauer

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