Aus Geschichte lernen, aber bitte schnell
Wie soll Europa die digitale Zukunft meistern, wenn es links von den USA und rechts von China mit Lichtgeschwindigkeit überholt wird? Die begabtesten Köpfe gehen in die USA und China diktiert den Hardware-Markt. Für Europa bleibt nur noch die Rolle des ewig staunenden Zusehers. Dabei ließ Medienvordenker Jeff Jarvis vor wenigen Wochen beim „Darwin’s Circle“in Wien aufhorchen, als er die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DSGVO) als Alleinstellungsmerkmal für Europa heraushob. Raunen ging durch die Zuhörerschaft. Viele verstanden den Vorschlag als Scherz. Denn die DSGVO muss derzeit überall dort den Sündenbock spielen, wo es mit der Digitalisierung nicht klappt.
Und dann kam Tim Cook, Boss von Apple und damit einer der führenden Wirtschaftskapitäne, und sagte in einem Interview, dass er ein großer Fan der DSGVO sei. Wie bitte? „Gerade in Deutschland gibt es bei den Bürgern ein profundes Wissen und ein ausgeprägtes Bewusstsein für den Schutz der Privatsphäre, das nicht in allen Teilen der Welt existiert“, sagte Cook – auch weil die Deutschen in ihrer Geschichte „einige der schändlichsten Dinge gesehen haben, die passieren können“. Denn der Überwachungsstaat der Stasi sitzt nicht nur den ehemaligen Bürgern der DDR in den Knochen. Er prägte ein Bewusstsein mit, das bereits im Spitzelstaat Modell Metternich zu keimen begann. Warum also nicht aus diesem Bewusstsein Kapital schlagen?
Doch dann setzte Tim Cook noch eins drauf: „Wir würden es gern sehen, wenn nicht nur die USA, sondern auch viele andere Länder der Führungsrolle Europas folgen“– hört, hört – „und vielleicht sogar darüber hinausgehen würden“. Und da war er wieder, der Schlag in die Magengrube des europäischen Selbstbewusstseins. Womöglich wollen uns die Amis jetzt auch noch die Vordenkerrolle beim gehassten Datenschutz streitig machen.