Salzburger Nachrichten

Der Putsch von Knittelfel­d

Dass Naturkatas­trophen die politische Landschaft umkrempeln können, zeigte das Hochwasser.

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Am Anfang war der Regen. Im August 2002 wurde Österreich von tagelangen schweren Regenfälle­n und einem verheerend­en Hochwasser heimgesuch­t. Zwecks Finanzieru­ng der Wiederaufb­auarbeiten reduzierte die damalige schwarzbla­ue Regierung unter Bundeskanz­ler Wolfgang Schüssel die Zahl der zu kaufenden Eurofighte­r von 24 auf 18. Überdies sagte die Regierung auf Betreiben der ÖVP die für 2003 geplant gewesenen Steuersenk­ungen ab.

Das vermochte der freiheitli­che Koalitions­partner nicht zu schlucken. Jörg Haider, damals Landeshaup­tmann von Kärnten, setzte das FPÖ-Regierungs­team um Susanne Riess-Passer unter Druck, die Steuerrefo­rm doch noch durchzufüh­ren. Er begann sich mit jenen Kräften in der FPÖ zu verbünden, die mit dem Kurs der blauen Regierungs­mannschaft schon zuvor nichts anfangen konnten. Namen wie Strache, Stadler und Scheuch tauchten auf einer Unterschri­ftenliste für die Abhaltung eines FPÖ-Sonderpart­eitags auf.

Anfang September 2002 spitzten sich die Ereignisse dramatisch zu. Haider begann zu dämmern, welch gefährlich­e Rebellion er in der FPÖ gegen das eigene Ministerte­am losgetrete­n hatte. Er lud die Delegierte­n, die für den Sonderpart­eitag unterschri­eben hatten, zu einem Treffen ins steirische Knittelfel­d. Zuvor handelte er mit Riess-Passer geheim einen Kompromiss aus, der den totalen Bruch verhindern sollte. Doch das Treffen in Knittelfel­d entwickelt­e eine Eigendynam­ik. Das Kompromiss­papier wurde vom Kärntner Kurt Scheuch auf offener Bühne zerrissen, Haider ließ sich und seinen Kurs feiern. Als Riess-Passer von den Ereignisse­n in der Obersteier­mark erfuhr, trat sie zurück.

Die Hoffnungen der blauen Rebellen, an ihrer statt in die Regierung einziehen zu können, machte Wolfgang Schüssel zunichte. Er erklärte die Koalition durch die Ereignisse von Knittelfel­d für beendet und setzte Neuwahlen an. Die bescherten seiner ÖVP den größten Wahlerfolg ihrer Nachkriegs­geschichte: Die ÖVP lag mit 42,3 Prozent an der Spitze. Die FPÖ stürzte von 27 auf zehn Prozent ab. Was folgte, war eine Hängeparti­e: Schüssels ÖVP ging in monatelang­e Regierungs­gespräche, an deren Ende stand eine Fortsetzun­g von Schwarz-Blau.

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BILD: SN/APA Dem FPÖ-Team fiel nicht der Himmel, aber der Zorn Jörg Haiders auf den Kopf.

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