„Ich war arrogant und wurde dafür bestraft“
Mikaela Shiffrin über Lehren aus dem letzten Jahr, das Phänomen Hirscher und die wahren Probleme des Lebens: die richtige Fliesenfarbe.
SALZBURG. Sie ist das amerikanische Ski-Wunderkind: Schritt für Schritt hat sich Mikaela Shiffrin (23) zur Ausnahmefigur im Damen-Skisport entwickelt – im letzten Winter gewann sie sogar ihre erste Abfahrt, den Gesamtweltcup mit Rekordvorsprung und Olympiagold. SN: Wie kann man sich Ihren Sommerurlaub vorstellen? Relaxed? Auf dem Mountainbike? Shiffrin: Ich war heuer auf Martinique (eine Karibikinsel, Anm.). Eigentlich bin ich fürs Nichtstun nicht geschaffen, aber ich muss Ruhe geben, damit sich mein Körper erholen kann. Daher habe ich es bei Strandläufen belassen. SN: Es gab „nur“ein Mal Gold bei Olympia, am Ende wirkten Sie wie die Verliererin. Wie fühlt es sich mit Abstand an? Das ist jetzt eine lange Geschichte. Ich habe im letzten Winter viel gelernt. Ich war arrogant, bin gierig geworden und habe meinen Preis dafür bezahlt. Es begann mit den Rennen in Cortina: Es war überheblich von mir, zu glauben, ich könnte auf Anhieb diese schwierige Abfahrt gewinnen, aber ich wollte es unbedingt. Danach war ich regelrecht erschöpft, es folgten drei Ausfälle in den nächsten vier Rennen. So eine Serie habe ich in meiner ganzen Karriere noch nicht gehabt. Mit diesem Gefühl bin ich zu Olympia gefahren und dann kamen die ganzen Probleme mit dem Wetter hinzu. Nach dem Slalom war ich nur noch frustriert (Rang vier, Anm.). Es hat mir das Herz gebrochen, aber im nächsten Moment habe ich mir gedacht: Okay, es ist eigentlich egal. Wenn ihr solche Rennen haben wollt, dann bitte sehr. SN: Wie meinen Sie das? Der Zeitplan war verrückt, am Ende ging ihnen bei Olympia wegen der Wetterprobleme die Zeit aus. Der Slalom fand am Tag nach dem Riesentorlauf statt. Ich kam also nach meiner Goldmedaille im Riesentorlauf um neun Uhr abends zum ersten Mal in mein Hotel, hatte bis dahin noch nichts gegessen und am nächsten Tag bin ich um 5.30 Uhr aufgestanden, weil es zum Olympiaslalom gegangen ist. Aber das interessiert bei Olympia niemanden. Schade eigentlich. SN: Kann man daraus lernen? Dass ich meinen Terminplan besser managen muss. Vielleicht verzichte ich auf ein paar Rennen, und ich werde mir genau überlegen, was ich bei der WM mache. SN: Klingt ganz nach Marcel Hirscher. Was halten Sie eigentlich von ihm? Sieben Weltcups in Folge zu gewinnen ist für mich einfach unvorstellbar. Was Hirscher macht, das ist wirklich in einer anderen Liga. SN: Sie bekamen heuer Hirschers Servicemann – welche Bedeutung hat eigentlich ein Servicemann für Sie? Ich habe eine genaue Vorstellung vom perfekten Slalom- oder Riesentorlaufschwung, wann der Ski auslösen muss, wann der Ski greift und so weiter. Das muss der Servicemann dann mit der Skifirma genau umsetzen, also ist er extrem wichtig für mich. Ich bin immer wieder verblüfft, wie viel diese Leute über das Innenleben eines Skis wissen. SN: Seit Ihrem 12. Lebensjahr kümmert sich Ihre Mutter um alles in Ihrer Karriere, vom Training bis zum Management – gibt es da öfter Reibereien? Ich könnte mir den Weltcup ohne meine Mutter nicht vorstellen. Sie kümmert sich um alles, dass ich meinen Kopf nicht verliere, dass ich fokussiert bin, dass ich gesund bleibe. Es gibt im Amerikanischen ein Sprichwort, das lautet: Du läufst wie ein Huhn ohne Kopf. So bin ich manchmal auch. Das macht es mir gerade jetzt beim Hausbau auch nicht leichter. SN: Sie bauen ein Haus in Ihrer Heimat Vail? Nein, in Edwards, einem Vorort, weil es dort billiger ist. Aber das wird jetzt erst im Frühjahr fertig. Ich bin nicht gut darin, Entscheidungen zu treffen, und das Projekt hat mich wirklich gefordert: Jeden Tag hast du zehn Entscheidungen, die Küche, die Farbe der Fliesen und so weiter. Das sind wirkliche Probleme im Leben, nicht das nächste Rennen.