Polizei: Der Pinzgau ist keine Drogenhochburg
Schüsse auf eine 20-Jährige entfachten eine Debatte über die Drogenszene. Die Polizei verweist auf gute Ermittler, ein Experte auf den Tourismus-Einfluss.
Fünf Tage nach den tödlichen Schüssen auf eine 20jährige Zellerin laufen unverändert die Ermittlungen der Polizei. Auch am Mittwoch gab es keine Informationen zu Hergang und Tatwaffe oder konkrete Hinweise auf einen Verdächtigen. Ermittelt werde in alle Richtungen. Verstrickungen der Frau ins Suchtgiftmilieu nähren Spekulationen im Kriminalfall und entfachen auch eine Diskussion über die Drogenproblematik. Zells Bürgermeister Peter Padourek sagte vor zwei Tagen in den SN, es gebe im Pinzgau offenbar eine Drogenszene, in der auch Gewaltbereitschaft herrsche. „Wir müssen versuchen, unsere Kinder von Suchtgift fernzuhalten.“Ein runder Tisch mit Experten ist geplant.
Aber wie sind die Fakten? Im Pinzgau wurden immer wieder größere Fälle von (organisiertem) Drogenhandel aufgedeckt. Gewaltverbrechen in Zusammenhang mit Suchtgifthandel – was auch bei der Tat am Samstagabend nicht auszuschließen ist – seien ihm jedoch kaum bekannt, sagt Hannes Bacher, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Salzburg. Generell gebe es in den Gebirgsgauen eine Drogenszene wie auch in der Stadt – mit einem Un- terschied: „Weil das nicht in einem Ballungsraum stattfindet, passiert die Drogenproblematik oft im Geheimen“, erklärt Bacher. Dass die Region für den Suchtgifthandel ebenso interessant sei wie der Zentralraum, erklärt er so: „Wir haben natürlich diesbezüglich ein Problem im Pinzgau, und zwar den Tourismus.“
Fakt ist, dass der Pinzgau Salzburgs Tourismusbezirk Nr. 1 ist. Im Tourismusjahr 2016/17 gab es 11,2 Millionen Nächtigungen – fast vier Mal so viele wie in der Stadt Salzburg. Vor allem in den großen Skigebieten tummeln sich in der Saison Zigtausende oft junge Menschen – Gäste wie auch Saisonarbeiter aus aller Welt. Auch wenn es sich durch offizielle Zahlen nicht belegen lässt: Es ist anzunehmen, dass in großen Urlaubsregionen der Konsum von und damit verbunden auch der Handel mit illegalen Drogen ausgeprägt ist. Davon geht auch Bacher aus. Das sei bei einschlägig bekannten Events in den Tourismushochburgen zu beobachten. „Es werden immer wieder Drogen mitgebracht, die zu einer Konjunktur von gewissen Substanzen führen.“
Zahlen der Polizei zeigen, dass im Pinzgau (ca. 87.000 Einwohner) tatsächlich verhältnismäßig viele Fälle von Suchtgifthandel geklärt werden. Laut Polizeisprecher Michael Rausch gab es 2015 exakt 41 geklärte Fälle von Handel mit illegalen Drogen; 2016 waren es 46, im Jahr 2017 genau 34. Im Flachgau (rund 151.000 Einwohner) waren es demgegenüber 40 geklärte Fälle 2015, dann 25 im Jahr 2016 und 15 im Jahr 2017.
Dass der Pinzgau deshalb eine Drogenhochburg sei, verneint Rausch: „Zum einen sind Suchtgiftdelikte sogenannte Kontrolldelikte. Das heißt: Durch stärkere Kontrollen kommt es zu mehr festgestellten Taten. Im Pinzgau arbeiten seit Längerem Drogenfahnder, die sehr intensiv ermitteln und bei ihrer Arbeit sehr erfolgreich sind. Das schlägt sich in der Aufklärungsquote nieder.“Zum anderen stellt Rausch fest, „dass gerade in der Suchtgiftkriminalität die Dunkelziffer sehr hoch ist. Der tatsächliche Anfall kann generell bei Weitem nicht abgedeckt werden“. Der Erfolg der Pinzgauer Fahnder verdeutlicht sich in einer Reihe von Fällen, die in den vergangenen Jahren publik wurden. Ein Auszug: Ganz aktuell: Bis Mitte Oktober lief am Landesgericht ein Prozess gegen 13 Angeklagte, die im Raum Zell am See in den kiloweisen An- und Verkauf von Cannabis, Speed und Kokain involviert waren. Das Gros der Angeklagten wohnt im Pinzgau. Die Drogen kamen über einen Niederländer und drei Deutsche aus dem Umfeld zweier dortiger Rockerclubs. Rund 400 Abnehmer im Pinzgau wurden mit den Drogen versorgt. Weiters wurden 2016 drei Pinzgauer und ein Niederländer verurteilt, die in der Region allein 20 Kilo Cannabis verkauften. Zwei weitere Drogenringe flogen bereits Ende 2015 bzw. im Sommer 2016 auf. Im einen Fall forschten Ermittler elf mutmaßliche Dealer und 150 Abnehmer aus – es ging um 17 Kilo Marihuana und drei Kilo Kokain. Haupt-
„Drogenfahnder arbeiten im Pinzgau sehr erfolgreich.“
verdächtige waren ein im Pinzgau lebender Kroate, ein Serbe und ein Deutscher, der sich ebenfalls in der Region aufhielt. Im anderen Fall wurde eine große Gruppe einheimischer junger Männer
„Wir haben ein Problem im Pinzgau: den Tourismus.“
ausgeforscht, die ebenfalls in den kiloweisen Handel mit Suchtgift involviert waren.
Hannes Bacher begrüßt den vom Zeller Bürgermeister angekündigten runden Tisch. Er fordert mehr Aufklärung an den Schulen, damit Jugendliche erst gar nicht in Berührung mit Suchtmitteln kommen. „In der Stadt läuft das bereits langsam an. Auf dem Land wurden wir noch nicht wirklich zu Vorträgen eingeladen“, sagt Bacher.