Europa errichtet Damm gegen die Plastikflut PET-Flaschen zu 90 Prozent recyceln
140 Millionen Tonnen Plastik schwimmen in den Meeren, zusammengenommen würde der Müll eine Fläche in der Größe Mitteleuropas bedecken. Das reicht, meinen EU-Kommission und Parlament.
STRASSBURG, SALZBURG. Europa hat dem Plastikmüll in den Weltmeeren den Kampf angesagt – und führt ihn energisch und schnell. Einwegverpackungen aus Kunststoff, zu denen es eine abbaubare Alternative gibt, sollen verboten werden. Und zwar großteils bereits 2021. Das hatte die EU-Kommission im Mai vorgeschlagen. Am Mittwoch hat das EU-Parlament die Liste der zu verbietenden Wegwerfgegenstände aus Plastik beschlossen und noch verlängert. Sobald auch die 28 EU-Länder zugestimmt haben, steht der Damm, der einige Verschmutzung aufhalten kann.
Der Reihe nach: Es geht um jene Wegwerfprodukte, die 70 Prozent des Plastikmülls im Meer ausmachen – und zu denen es eine biologisch abbaubare und bezahlbare Alternative gibt. Dazu zählen Wattestäbchen, Besteck und Teller aus Kunststoff, Trinkhalme, Cocktailstäbchen und jene Stäbchen, an denen Luftballons befestigt werden.
Ausdrücklich nicht auf der Verbotsliste stehen übrigens – anders als immer wieder kolportiert – Luftballons. „Es geht nicht darum, den Kindern die Luftballons wegzunehmen“, betonte Frédérique Ries im EU-Parlament. Es gehe vielmehr darum, künftigen Generationen ein verantwortungsvolles Erbe zu hinterlassen. Die liberale Abgeordnete aus Belgien hat den Bericht über den Kunststoffbann verfasst, der am Mittwoch mit großer Mehrheit angenommen wurde.
Die Parlamentarier haben den Kommissionsvorschlag noch verschärft, indem sie drei weitere Produktgruppen auf den Index setzten. Das sind sehr leichte Plastiktaschen, also die sogenannten Obstsackerl. Dazu kommen Produkte aus abbaubaren Kunststoffen. Das sind Kunststoffe, die sich sehr schnell in kleine Fragmente zersetzen. Und dann landeten noch FastFood-Behälter aus expandiertem Polystyrol auf der Liste. Darunter darf man sich die weitverbreiteten festen Boxen aus geschäumtem Kunststoff vorstellen, in denen etwa Hamburger serviert werden.
Was geschieht mit jenen Kunststoffverpackungen, für die es noch keine praktikable Alternative gibt? Die sollen bis 2025 reduziert werden – durch Maßnahmen, die die 28 EU-Staaten auf nationaler Ebene beschließen. Die Zielvorgaben: Nationale Pläne, um Produkte zu fördern, die sich mehrfach nutzen und recyceln lassen. Behälter aus Kunststoff, in denen oft Obst, Gemüse, Desserts oder Eis angeboten werden, sollen nach und nach durch nachhaltigere Verpackungen ersetzt oder ergänzt werden. Getränkeflaschen sind die verbreitetste Verpackungsart aus Kunststoff. Sie müssen bis 2025 getrennt gesammelt und zu 90 Prozent recycelt werden. Ein Zigarettenstummel, der Kunststoff enthält, kann zwischen 500 und 1000 Liter Wasser verschmutzen. Bis zu zwölf Jahre dauert es, ehe der Stummel zerfällt. Daher sollen die „Kippen“bis 2025 um 50 und bis 2030 um 80 Prozent verringert werden. Verlorene oder weggeworfene Gerätschaften vom Fischfang (Netze, Bojen etc.) machen 27 Prozent des Kunststoffmülls an Europas Stränden aus. Daher soll mindestens die Hälfte davon gesammelt werden. Konsumenten sollen durch Kennzeichnung auf Kunststoffprodukten sensibilisiert werden.
Für Lukas Mandl (ÖVP) ist der Beschluss des Pakets die richtige Mischung aus Abfallvermeidung, Alternativen, Recycling und Verbot. Europa habe damit weltweit Vorbildfunktion, sagt er. „Indien verbietet ab 2021 Einwegplastik. Das würde es ohne das europäische Beispiel nicht tun“, ist er überzeugt.
Die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach und Thomas Waitz von den Grünen zeigten sich ebenfalls zufrieden. Was nach dem Beschluss des EU-Parlaments noch fehlt, ist die Zustimmung der EUMitgliedsländer. Die müssen eine gemeinsame Position finden. Den Vorsitz im Rat der Umweltminister führt derzeit Elisabeth Köstinger (ÖVP). Sie hat betont, der Damm gegen die Plastikflut sei ihr wichtig. Womöglich lässt er sich noch unter Österreichs EU-Präsidentschaft bis Ende des Jahres festigen. Dann müssen die Kommission, das Parlament und der Rat sich endgültig einigen.
Der heimische Handel nimmt die geplanten Verbote, wie berichtet, teils vorweg: Plastiktrinkhalme und Wattestäbchen sollen großteils schon bis Ende 2019 aus den Regalen genommen, Obst und Gemüse öfter offen angeboten werden.
Begrüßt wird die Plastikstrategie vom österreichischen Kunststoffproduzenten Greiner. Auch wenn Kunststoffverpackungen selbst im Lebensmittelbereich Vorteile böten, sagt Greiner-Vorstand Axel Kühner, weil sie Produkte ideal schützen. In anderen Bereichen wie Medizintechnik oder Pharma gebe es kaum Alternativen zu Kunststoff. Die Zukunft liege in der Kreislaufwirtschaft, die Plastikabfall als Rohstoff für neue Produkte sehe.