„Der Glaube an Österreich“
Van der Bellen und Kurz hoben bei ihren Ansprachen auf dem Heldenplatz die Bedeutung des gesellschaftlichen Zusammenhalts hervor. Vielbestaunte Leistungsschau des Bundesheeres und ein kleiner Irrflug mit Österreich-Fahne.
WIEN. „Was ist des neue Sturmgewehr beim Bundesheer?“, fragt ein interessierter Bürger bei einem der unzähligen Bundesheer-Infostände auf dem Heldenplatz. „Das Sturmgewehr 77 A2“, erklärt der Soldat und schwärmt von Zielgenauigkeit und Leistungsfähigkeit des Schießgeräts – um gleich nachzuschieben, dass nur wenige Einheiten wie das Jagdkommando das A2 haben. Die meisten hätten das StG 77 A1. Und „des is a ziemlich einfacher Prügel“. Der nationalfeiertägliche Heldenplatz-Besucher relativiert: „Wenn des a Prügel ist, dann ham S’ des StG 58 nimmer g’sehen, des i damals g’habt hab’.“Nebenan informierten sich Jugendliche über Möglichkeiten, Auslandseinsätze zu machen, quetschten sich nicht nur Kinder durch viel zu enge Panzerluken, untersuchten ältere Semester Steigeisen, Eispickel, Haken, Karabiner und Firngleiter der Gebirgsjäger und fragten mitfühlend: „Des müs- sen sie alles aufischleppen?“und erkundigten sich Hobbymilitärexperten, wie oft die acht Tonnen schwere Zwillingsfliegerabwehrkanone 85 in der Sekunde schießt. Antwort: „16 Mal“. Von der Bühne erzählt ein uniformierter Koch, dass die auf der Freyung aufgestellte Gulaschkanone („Feldküche“) Buchteln mit Vanillesauce und Hascheehörnchen liefert und dass er beim Plachutta gelernt habe. „Sterneküche“für die Soldaten, sagt ein Moderator – und man fragt sich, wen er da jetzt auf die Schippe nimmt.
Bevor die von so viel Bundesheer auf sieben Plätzen der Wiener Innenstadt beeindruckten Bürger in die umliegenden Ministerpalais, ins Kanzleramt, die Präsidentschaftskanzlei und das Ausweichquartier des Parlaments in der Hofburg ausschwärmten bzw. sich geduldig davor anstellten, hatten Tausende die Angelobung von 1021 Rekruten auf dem Heldenplatz miterlebt.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig waren in derart feierlich-staatstragendes Schwarz gewandet, dass Verteidigungsminister Mario Kunasek es schaffte, in seinem grauen Anzug geradezu bunt zu wirken.
Bei ihrer Ansprache vor den Soldaten riefen sowohl Strache als auch Kurz Worte des früheren Bundeskanzlers Leopold Figl in Erinnerung. Strache bezog sich auf die „Österreich ist frei“-Ansprache, bei der Figl die Staatsvertragsunterzeichnung verkündete, und pries die Selbstverpflichtung zur Neutralität als „hohes Gut, das wir schätzen gelernt haben“.
Sowohl der Kanzler als auch das Staatsoberhaupt verwiesen in ihren Reden auf die hundertste Wiederkehr der Gründung der Republik am 12. November 1918. Sie erinnerten an die finsteren Zeiten in der ersten Hälfte dieser 100 Jahre, aber auch an den erfolgreichen Wiederaufbau nach den Weltkriegen. Kurz erinnerte an die Worte Leopold Figls zu Weihnachten im Jahr 1945, der damals sagte: „Ich kann euch zu Weihnachten nichts geben. Ich kann euch nur bitten: Glaubt an dieses Österreich!“Der Bundeskanzler hob hervor: „Wir müssen dieser Generation, die Österreich nach dem Krieg wieder aufgebaut hat, immer dankbar sein, dass sie an unser Österreich geglaubt hat.“ Der „Glaube an unser Österreich“sei noch immer genauso wichtig. Jede Generation müsse sich „Frieden, Freiheit und Wohlstand immer wieder neu erarbeiten“.
Bundespräsident Van der Bellen betonte, dass Österreich vom „Armenhaus der Ersten Republik“zu einem der reichsten, sichersten und lebenswertesten Länder der Welt geworden sei. Nur durch das Gemeinsame sei der wirtschaftliche und soziale Aufschwung ermöglicht worden. Der Präsidenten dankte allen Angehörigen des Bundesheeres für ihren Einsatz. Der Oberbefehlshaber warnte, dass in Anbetracht der Budgetentwicklung aufgrund fehlender Ressourcen in den nächsten Jahren eine „rote Linie“bei der Einsatzbereitschaft des Bundesheeres überschritten werde.
Drei Fallschirmspringer des Jagdkommandos sollten zum Abschluss mit Fahnen aus 1000 Metern abspringen und vor den Politikern landen, „um die Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen“, wie es hieß. Zwei schafften es – ausgerechnet der Soldat mit der Österreich-Fahne landete unsanft in der Menge, genau auf den Füßen einer – zumindest bis zu dem Moment – sehr interessierten Zuseherin.
Die tapfere Dame nahm es trotz zerdepperter Sonnenbrille und eines Kratzers auf der Nase relativ gelassen, als sie auf einer Bahre abtransportiert wurde: „Gut, dass i Bergschuh angezogen hab.“