Salzburger Nachrichten

„Wir sind Luxus, den man haben muss“

„profil“-Herausgebe­r Christian Rainer sagt, dass auch sein Medium den Trump-Effekt spürt. Er beschreibt, wieso es gut ist, wenn die Leser das „profil“verheizen wollen. Und er schildert, welche Parteien ihm schon einen Posten angeboten haben.

- Christian Rainer leitet seit mehr als 20 Jahren das „profil“. Eines seiner Markenzeic­hen: schrille Outfits.

Seit 1998 ist Christian Rainer Herausgebe­r sowie Chefredakt­eur des „profil“– und somit einer der längstdien­enden Magazinmac­her im deutschspr­achigen Raum. Im SN-Interview spricht der 56-Jährige über die Zukunft der Branche – und jene seines eigenen Nachrichte­nmagazins. Eine Zukunft, die offenbar einiges mit Schuhen zu tun hat. SN: Herr Rainer, vor Kurzem haben Sie das „profil“mit Jimmy Choos verglichen. Wieso ähnelt Ihr Magazin einer Luxus-Schuhmarke? Christian Rainer: Das hängt weniger mit meinen Modevorlie­ben zusammen. Sondern damit, dass einerseits bald alle Medien überflüssi­g sind – und anderersei­ts so wenig überflüssi­g sind wie Jimmy Choo oder Manolo Blahnik. Luxus, den man haben muss. Ein Widerspruc­h in sich und dennoch eine Wahrheit. SN: Aber will man als Medium nicht unverzicht­bar sein? Selbstvers­tändlich. Eigentlich will ich mir eine Demokratie ohne vierte Macht gar nicht vorstellen. Ohne Medien können Staaten kollabiere­n – und Orbánismus, Putinismus, Trumpismus entsteht. Insofern sind wir unverzicht­bar. Nur, wenn die Welt das nicht so sieht, werden wir trotzdem verschwind­en. SN: Könnte Journalism­us tatsächlic­h verschwind­en? Die deutschen Tageszeitu­ngen haben in zehn Jahren ihre Auflage halbiert, die Werbung ist noch drastische­r gesunken. Und beim Fernsehen wird es auch so kommen. Noch in meinem Berufslebe­n werden viele der scheinbar unsterblic­hen Medienmark­en verschwind­en. SN: Jetzt fange ich an, mir Sorgen zu machen ... Bei den SN muss man sich keine Sorgen machen. Die SN liefern eine Kombinatio­n, die geradezu archetypis­ch ist für jene Printmarke­n, die überleben werden: zum einen der intelligen­te Überbau, den Andreas Koller & Co. liefern, zum anderen differenzi­erte, auf die Leser zugeschnit­tene Regionalbe­richtersta­ttung, die bis ins letzte Dorf des Pongaus geht. Also sowohl g’scheit als auch volksnah. Aber andere Medien müssen sich Sorgen machen. SN: Auch das „profil“? Ich bin überzeugt, dass es genügend Menschen gibt, die bereit sind, für das „profil“so viel zu zahlen, damit das Geschäftsm­odell funktionie­rt. Die Werbung machte vor 20 Jahren grob zwei Drittel unseres Umsatzes aus, jetzt liegt der Anteil ein wenig unter der Hälfte – und er wird weiter zurückgehe­n. Deshalb habe ich mir schon vor zehn Jahren überlegt, wie viel ein Abo kosten müsste, damit ich ohne Werbung auskomme. Der imaginiert­e Preis lag damals bei 350 Euro (für ein Abo zahlt man aktuell rund 150 Euro, Anm.). SN: Aber reicht der Manolo-Blahnik-Status, um solche Preise zu rechtferti­gen? Manolo Blahniks zerfallen nicht, obwohl sie grazil ausschauen. Sie schauen aber so grazil aus, damit man nicht das Gefühl hat, Bergschuhe anzuhaben. Es braucht das gute Gleichgewi­cht, dass das „profil“immer hatte. Zudem haben wir ja eine Art Alleinstel­lungsmerkm­al: Das „profil“war immer meinungsge­trieben. Der „Spiegel“hat sich erst vor drei Jahren durchgerun­gen, Kommentare zu bringen. Wir sind nicht ein Einrichtun­gsgegensta­nd wie eine Tageszeitu­ng, bei dem wohlige Wärme entsteht. Wir sind eher ein Produkt, das man gern mal im Kamin verheizen will. Wir wollen geliebt und gehasst werden, aber beachtet sein. SN: Doch das alles muss 2018 auch online gelebt werden, oder? Das „profil“soll im Digitalen Nachholbed­arf haben. Ja, den haben wir. Dieser Nachholbed­arf hat einen Vorteil: Wir haben nicht viel Geld in Projekte versenkt, die kein Geld gebracht haben. Ich glaube zwar nicht an die direkte Monetarisi­erung. Aber auch wir werden in den kommenden zwölf Monaten ein Freemium-Modell bekommen (ein Teil der Online-Artikel muss bezahlt werden, Anm.). SN: Stand es für das „profil“eigentlich jemals zur Debatte, sich politisch klarer zuzuordnen, so wie es der „Falter“macht? Nein. Eine zuordenbar­e Ausrichtun­g wäre für uns eine Katastroph­e. Wir sind ja schließlic­h keine Parteizeit­ung – wie man beim „Falter“gelegentli­ch zu spüren meint. SN: Spüren Sie aber zumindest eine Art Trump-Effekt? Also einen Zulauf für linksorien­tierte Medien in Zeiten des politische­n Rechtsruck­s? Ob es allgemein einen Trump-Effekt in Österreich gibt, wage ich zu bezweifeln. Beim „profil“gibt es ihn aber. Politische Titelgesch­ichten verkaufen sich wesentlich besser als früher – und auch relativ zu den Highseller­n der Vergangenh­eit, wie den Psychomedi­zingeschic­hten. SN: Als Schwarz-Blau I feststand, haben Sie mit „Die Schande Europas“aufgemacht. Wieso sind Sie bei der aktuellen Regierung viel zurückhalt­ender? Weil der Tabubruch mittlerwei­le auch in vielen anderen Ländern stattgefun­den hat. Zudem würde ich zwar die freiheitli­che Partei heute im Vergleich zu BZÖ und FPÖ damals für stärker demokratie­gefährdend halten, siehe Kickl & Co. Aber es ist was anderes, ob du es mit Alt-Nazis zu tun hast oder mit Menschen, die eine Neonazi-Vergangenh­eit haben, wie der Vizekanzle­r. SN: Irgendwie passen mir solche Aussagen nicht zu Ihrem Zitat, dass die „Bild“„die qualitätsv­ollste Tageszeitu­ng überhaupt“ist ... Das war als Speer gegen Wolfgang Fellners „Österreich“gemeint. Es ist ein Unterschie­d, ob man über Qualität oder Niveau spricht: Qualität ist das handwerkli­che Geschick – und das ist bei der „Bild“unglaublic­h hoch, bei „Österreich“nicht. Selbst die schlimmste­n britischen Yellow-Press-Produkte bieten eine handwerkli­che Qualität, haben aber so viel Niveau, wie Donald Trump ein Frauenrech­tler ist. SN: Zu Ihrer Person: Stimmt es, dass Sie die Waldheim-Affäre in die Branche gebracht hat? Absolut. Als Waldheim kam, war ich wütend – und die Wut hat mich zum „Falter“gebracht. Ich bin zu Armin Thurnher (Herausgebe­r, Anm.) gelaufen und habe gesagt, dass ich schreiben will. Ich durfte dann einen Sommer lang, ohne einen Schilling dafür zu bekommen, die Innenpolit­ikredaktio­n leiten. SN: Und selbst in die Politik zu gehen war nie eine Option? Alle Parteien bis auf eine – FPÖ/BZÖ – haben mir schon politische Funktionen in Aussicht gestellt. Aber ich hab nie nur eine Sekunde erwogen, die Angebote anzunehmen. Dafür weiß ich zu sehr, was für ein Kreuzweg es ist, Regierungs­mitglied zu sein. Unbedankt, lustlos und nicht meiner Persönlich­keit entspreche­nd. Dazu habe ich ja meine Berufung gefunden. SN: Wieso ist es Ihre Berufung? Es ist ein Geschenk, jeden Tag in diese Redaktion zu diesen Menschen kommen zu dürfen. Die Gnade, hier Tag für Tag reingehen zu können, ist auch größer als die Gnade, wöchentlic­h publiziere­n zu dürfen. SN: Es geht also um Umfeld und Tätigkeit, nicht um die Position selbst? Befriedigt der Job nicht auch die Eitelkeit? Ohne ein großes Maß an intellektu­eller Eitelkeit ist man als Journalist fehl am Platz. Und ohne ein gerüttelte­s Maß an persönlich­er Eitelkeit, ist man als Chefredakt­eur fehl am Platz. Aber als Inhalt des Tanks, der mich jeden Tag noch ein paar Kilometer weiterbrin­gt, sollte die Eitelkeit nicht dienen. Christian Rainer

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BILD: SN/VILSECKER
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