Die Idee des Weltspartags wurde 1924 in Mailand geboren
Die Regierenden in Italien haben in Europa derzeit nicht den besten Ruf. Und sie tun alles, um ihr Image des trotzigen Schmuddelkindes, das sich nicht an Regeln hält, zu verfestigen. Vor allem die beiden Vizepremiers Matteo Salvini von der Lega und Fünf-Sterne-Chef Luigi Di Maio überbieten sich fast täglich darin, dem italienischen Volk lautstark zu vermitteln, dass man sich von der EU-Kommission nicht länger knechten lasse. Die könne so viele Briefe schreiben, wie sie wolle, tönte Salvini zuletzt, man werde sich nicht länger „dämlichen Regeln“unterwerfen. Über das Regelwerk des Euro könnte man tatsächlich diskutieren.
Aber um die Sache geht es längst nicht mehr. Die Koalition in Rom will sich schlicht und einfach nicht vorschreiben lassen, dass sie im Staatshaushalt sparen muss. Italiens Regierungen, nicht nur die jetzige, tun sich ja seit jeher schwer mit dem Sparen, sodass der Berg an öffentlichen Schulden mittlerweile 130 Prozent der Wirtschaftsleistung von rund 2000 Mrd. Euro erreicht hat. Dagegen ist die private Verschuldung seit zehn Jahren rückläufig, Italiens Privathaushalte zählen, was ihr Finanzvermögen angeht, zu den reichsten in der Welt. Auch der Umgang mit Geld zählt zu den Widersprüchlichkeiten, die es oft schwer machen, die Italiener zu verstehen, das Land aber auch so schätzenswert machen. Im Oktober 1924 fand in Mailand der erste internationale Kongress der Sparkassen statt, der mit dem Beschluss zu Ende ging, alljährlich am 31. Oktober einen Weltspartag zu veranstalten, um die Kultur des Geld-zur-Seite-Legens zu fördern. Man könnte also mit Fug und Recht behaupten, in Italien sei das Sparen erfunden worden.
Der Weltspartag – das war einmal ein kleiner Festtag für Kinder, an dem sie dafür belohnt wurden, dass sie unter Verzicht auf die eine oder andere süße Verlockung Geld gespart hatten. Mittlerweile ist der Weltspartag ja so etwas wie ein Jahrestag der Desperaten geworden. Ältere Bankkunden erinnern sich noch an Zeiten, in denen ihr Erspartes noch gerne angenommen wurde und man dafür Zinsen gutgeschrieben erhielt. Sparen galt lange als er- strebenswerte Tugend, man lebte in der berechtigten Hoffnung, dass sich sein Geld durch Zins und Zinseszins vermehrt – trotz höherer Inflation. Sparen hieß, wie es der Schriftsteller George Bernard Shaw einmal formulierte, „einen Handel für die Zukunft abzuschließen“.
Man folgte dem Credo „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“– gewissermaßen einem Keynesianismus für jedermann. Mittlerweile ist Sparen zu einem Akt der Verzweiflung geworden. In der nun schon lange andauernden Phase der Niedrig- bis Nullzinsen muss man die Regel abwandeln: „Wer in Zeiten wie diesen spart, der muss schon in großer Not sein.“Ähnliches gilt auch für den Begriff des Sparschweins, der eine neue Bedeutung erfährt: Wer heute spart, ist ein armes Schwein.
Den italienischen Politikern, die fest daran glauben, ihr Land könne nur durch eine stetige Ausweitung der Schulden wirtschaftlich genesen, sei ein Zitat des schottischen Sozialreformers Samuel Smiles empfohlen: „Die Sparsamkeit ist die Tochter der Vorsicht, die Schwester der Mäßigung und die Mutter der Freiheit.“ WWW.SN.AT/WIENS