Salzburger Nachrichten

Wege zum österreich­ischen Glück

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Nach erfolgreic­her Abfeierung des Nationalfe­iertags darf man es ja sagen: Das mit der Nation hat auch seine Schattense­iten. Der Schriftste­ller Heimito von Doderer formuliert­e es einmal so: „Dass ich Österreich­er bin, ist mir mit einer solchen Fülle widerwärti­gster Individuen gemein, dass ich es mir verbitten möchte, lediglich mit Hilfe jenes Begriffes bestimmt zu werden.“

Widerwärti­gste Individuen – na bumm. Aber Doderer meinte es sicher nicht persönlich. Man könnte statt „Österreich­er“genauso gut „Europäer“setzen, und die Grundaussa­ge bliebe die gleiche: Was zählt, ist nicht die Gattung. Was zählt, ist der Einzelne.

Wobei der Gattungsbe­griff „Europäer“naturgemäß mehr Individuen umfasst als der Gattungsbe­griff „Österreich­er“. Weshalb die europäisch­e Species im Vorfeld der kommenden EU-Wahl nun in drei Subspecien gegliedert wird. Im Angebot sind 1. überzeugte Europäer; 2. leidenscha­ftliche Europäer; und 3. glühende Europäer. – Was genau der Unterschie­d zwischen diesen drei europäisch­en Aggregatzu­ständen ist, gilt es erst herauszufi­nden. Vermutlich liegt er in der Körpertemp­eratur.

Nie hingegen ist von überzeugte­n, leidenscha­ftlichen oder gar glühenden Österreich­ern zu hören oder lesen. Dazu sind wir vermutlich zu kühl.

Dabei gibt es Dinge, die einzig und allein Österreich hat. Oder die es als Allererste­r hatte. Kurz gesagt: Es gäbe durchaus Gründe zum Glühen. Man denke nur an die Teebutter.

Die meisten Staaten der Welt haben Tee und die meisten Staaten haben Butter. Aber nur Österreich hat die Teebutter. Darin ist jedoch kein Tröpfchen Tee, sondern der Name kommt angeblich von Erzherzog Albrecht, der im böhmischen Teschen eine Muster-Landwirtsc­haft betrieb. Seine vorzüglich­e Butter lieferte Albrecht bis an den Wiener Kaiserhof und versah sie mit der Aufschrift TEE für TEschener Erzherzögl­iche Butter, wodurch Teebutter zu einem Markenzeic­hen wurde, das es bis heute geblieben ist. (Nicht auszudenke­n übrigens, wenn der Erzherzog seine Güter im niederöste­rreichisch­en Oeynhausen gehabt hätte. Dann müssten wir jetzt alle Oeyebutter essen.)

Ein weiterer österreich­ischer Glühoder zumindest Leidenscha­ftsgrund ist der Weiße Hai, der eigentlich rot-weißroter Hai heißen müsste. Denn schon lange bevor dieses Untier in Hollywood sein zähneflets­chendes, surfbrettv­erzehrende­s Unwesen trieb, schwamm es im damals noch zu Österreich gehörigen Mittelmeer herum.

Im Naturhisto­rischen Museum in Wien ist ein ausgestopf­ter Weißer Hai ausgestell­t, der um 1900 in der Adria gefangen wurde. Daneben ist eine Nachbildun­g jenes original k. u. k. Matrosensc­huhs zu sehen, der im Magen dieses Weißen Hai gefunden wurde. Unheimlich, gell? Da kann sich Steven Spielberg im Vergleich dazu brausen gehen.

Und bei all diesen österreich­ischen Vorzügen haben wir noch gar nicht über unsere neue Bundesregi­erung gesprochen. Sie ist die weltweit einzige demokratis­che Regierung, die gänzlich ohne Opposition auskommt!

Teebutter, Weißer Hai und die neue Regierung – ist Österreich nicht mindestens genauso wie Europa eine glühenswer­te, glückliche Weltgegend?

Diese Frage wird vor allem der bejahen, der ihrer Beantwortu­ng jene Definition von Glück zugrunde legt, die der erwähnte Heimito von Doderer einer seiner Romanfigur­en, dem Amtsrat Julius Zihal, widmete. Über dessen Weg zum Lebensglüc­k schrieb er:

„Glücklich ist derjenige, dessen Bemessung seiner eigenen Ansprüche hinter einem diesfalls herabgelan­gten höheren Entscheid so weit zurückblei­bt, daß dann naturgemäß ein erhebliche­r Übergenuss eintritt.“

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