Ein sagenhafter Ort
Auf der Schokoladenseite des Haunsbergs. Im Wirtshaus Schlössl fliegen dem Genießer die Gedanken ganz von allein zu.
Gäbe es dieses Wirtshaus nicht – man müsste es erfinden: Hier sitzt man im Kirchenhof auf Stühlen und Bierbänken und genießt die Aussicht über das Oichtental ins benachbarte Bayern. Wenn man Glück hat, dann lehnt man mit dem Rücken an der von der Sonne aufgeheizten Kirchenmauer. Mit einem Glas Wein in der Hand taucht dann die erste Frage auf: Befindet sich hier, an der Kirchenmauer, sonst nicht der Friedhof? Das Wirtshaus heißt nach dem Ort, zu dem es gehört: Schlößl, nur wenige Kilometer von Nußdorf entfernt. Alles zusammen ist es das Wallfahrtsensemble St. Pankraz. Früher befand sich hier die Burg Haunsberg. 1758 wurde inmitten spektakulärer Felsformationen das Mesnerhaus errichtet. Die barocke Kapelle wurde bereits 1707 dem heiligen Pankratius geweiht. Der kam in seinen jungen Jahren weit herum. Geboren wurde er 290 in Phrygien, also in der heutigen Türkei. Diokletian ließ ihn im Alter von etwa 14 Jahren enthaupten. Er war also einer der ersten Märtyrer des Christentums. Sein Name kommt aus dem Griechischen. Er bedeutet Der alles Beherrschende. Heute wird dieser Wallfahrtsort auf dem Haunsberg weitgehend von Daniela Mackinger beherrscht. Ihre ersten „Gehversuche“als Wirtin unternahm sie schon als Kind bei ihrer Tante Antonia im Oichtner Gasthaus Reiter. In ihrer gastronomischen Karriere hat sie allerhand erlebt und gesehen. Sie arbeitete auf Kreuzfahrtschiffen, in Zürich, in London und bis 2011 führte sie in Köln ein „Steirisches Wirtshaus“. Aber dass sie damals zum Casting beim Herrn Pfarrer und vor dem Pfarrgemeinderat Nußdorf antreten würde, das habe sie sich nicht träumen lassen. Zuvor war sie schon an der Stiftskellnerei in Michaelbeuern interessiert. „Da bin ich durchgefallen, weil ich alleinstehend war“, erzählt Daniela, während sie Tischschmuck bastelt. Den Nußdorfer Pfarrgemeinderat hat sie im Sturm erobert. Mit ihrem enormen Fachwissen, aber auch mit ihrer unnachahmlich erfrischenden Art, als Wirtin aufzutreten.
Jetzt beginnt sie 20 Kilogramm Fleisch vom Wildschwein zu verarbeiten. „Für faschierte Laibchen“, erklärt sie.
Man könnte sagen, Daniela hat ein arbeitsintensives System entwickelt, um das Wirtshaus einigermaßen wirtschaftlich führen zu können. Aber das stimmt nicht. Ihr macht die Arbeit Spaß. „Ich habe zwei gute ungarische Hilfsköche“, sagt sie. Die seien aber nur abends da. „Also koche ich vor allem Schmorgerichte vor“, erklärt sie. Das Angebot wechselt ständig. Ihre Speisekarte ist das Spiegelbild der Saison.
Nach all den Vorbereitungen schlüpft sie abends in ihr Dirndl und übernimmt das Service. Sehr beliebt sind im Schlössl auch die Mehlspeisen. „Die backen meine Mama und meine Godn“, sagt sie. Für Stadtbewohner: Die Godn ist die Patin. In diesem Fall heißt sie Heidi – und sie ist auch Patin für jährlich 150 Torten und Kuchen, die sie für das Schlössl zubereitet. Mama Margarethe backt sogar 300. Beide leben auf ihrem Bauernhof und verwenden ausschließlich die Eier ihrer Hühner. Glauben Sie uns: Das schmeckt man.
Ein weiterer Vorteil ist die Vereinfachung der Rezepturen für Mehlspeisen, wie das in der bäuerlichen Kultur gottlob üblich ist. Etwa bei der Nougattorte (siehe Rezept rechts). Das gibt uns die Chance, uns selbst an der Herstellung dieser Köstlichkeit zu versuchen. Beim Anblick all dieser wunderbaren Speisen denken wir an Lucius Licinius Lucullus. Das war ein römischer Feldherr, der für seine üppigen Gelage bekannt war. Heute trägt eine Süßspeise seinen Namen: Lukullus. Im Volksmund wird sie auch Kalte Schnauze, Kalte Pracht, Kekstorte, Schwarzer Peter, Keksmauer oder Kellerkuchen genannt. Das sind ziemlich viele Namen für eine Speise aus Butterkeksen mit einer Schoko-Kokos-Creme.
Ja. Hier oben fliegen einem die Gedanken einfach so zu. Wussten Sie etwa, dass hier 1532 im Maunzgraben ein menschenähnliches Wesen gefangen wurde? Es hatte Füße mit Hufen, einen Schwanz wie ein Löwe, die Mähne eines Pferdes – und ein Gesicht wie ein Mensch. Man nannte es Maunzteufel. Da es keine Nahrung zu sich nahm, verendete das Wesen bald. Leider gab es damals noch keine Nougattorte ...