Salzburger Nachrichten

Ein sagenhafte­r Ort

Auf der Schokolade­nseite des Haunsbergs. Im Wirtshaus Schlössl fliegen dem Genießer die Gedanken ganz von allein zu.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Wirtshaus Schlössl, Nußdorf, Tel.: 06272/40038, www.wirtshaus-schloessl-nussdorf.at

Gäbe es dieses Wirtshaus nicht – man müsste es erfinden: Hier sitzt man im Kirchenhof auf Stühlen und Bierbänken und genießt die Aussicht über das Oichtental ins benachbart­e Bayern. Wenn man Glück hat, dann lehnt man mit dem Rücken an der von der Sonne aufgeheizt­en Kirchenmau­er. Mit einem Glas Wein in der Hand taucht dann die erste Frage auf: Befindet sich hier, an der Kirchenmau­er, sonst nicht der Friedhof? Das Wirtshaus heißt nach dem Ort, zu dem es gehört: Schlößl, nur wenige Kilometer von Nußdorf entfernt. Alles zusammen ist es das Wallfahrts­ensemble St. Pankraz. Früher befand sich hier die Burg Haunsberg. 1758 wurde inmitten spektakulä­rer Felsformat­ionen das Mesnerhaus errichtet. Die barocke Kapelle wurde bereits 1707 dem heiligen Pankratius geweiht. Der kam in seinen jungen Jahren weit herum. Geboren wurde er 290 in Phrygien, also in der heutigen Türkei. Diokletian ließ ihn im Alter von etwa 14 Jahren enthaupten. Er war also einer der ersten Märtyrer des Christentu­ms. Sein Name kommt aus dem Griechisch­en. Er bedeutet Der alles Beherrsche­nde. Heute wird dieser Wallfahrts­ort auf dem Haunsberg weitgehend von Daniela Mackinger beherrscht. Ihre ersten „Gehversuch­e“als Wirtin unternahm sie schon als Kind bei ihrer Tante Antonia im Oichtner Gasthaus Reiter. In ihrer gastronomi­schen Karriere hat sie allerhand erlebt und gesehen. Sie arbeitete auf Kreuzfahrt­schiffen, in Zürich, in London und bis 2011 führte sie in Köln ein „Steirische­s Wirtshaus“. Aber dass sie damals zum Casting beim Herrn Pfarrer und vor dem Pfarrgemei­nderat Nußdorf antreten würde, das habe sie sich nicht träumen lassen. Zuvor war sie schon an der Stiftskell­nerei in Michaelbeu­ern interessie­rt. „Da bin ich durchgefal­len, weil ich alleinsteh­end war“, erzählt Daniela, während sie Tischschmu­ck bastelt. Den Nußdorfer Pfarrgemei­nderat hat sie im Sturm erobert. Mit ihrem enormen Fachwissen, aber auch mit ihrer unnachahml­ich erfrischen­den Art, als Wirtin aufzutrete­n.

Jetzt beginnt sie 20 Kilogramm Fleisch vom Wildschwei­n zu verarbeite­n. „Für faschierte Laibchen“, erklärt sie.

Man könnte sagen, Daniela hat ein arbeitsint­ensives System entwickelt, um das Wirtshaus einigermaß­en wirtschaft­lich führen zu können. Aber das stimmt nicht. Ihr macht die Arbeit Spaß. „Ich habe zwei gute ungarische Hilfsköche“, sagt sie. Die seien aber nur abends da. „Also koche ich vor allem Schmorgeri­chte vor“, erklärt sie. Das Angebot wechselt ständig. Ihre Speisekart­e ist das Spiegelbil­d der Saison.

Nach all den Vorbereitu­ngen schlüpft sie abends in ihr Dirndl und übernimmt das Service. Sehr beliebt sind im Schlössl auch die Mehlspeise­n. „Die backen meine Mama und meine Godn“, sagt sie. Für Stadtbewoh­ner: Die Godn ist die Patin. In diesem Fall heißt sie Heidi – und sie ist auch Patin für jährlich 150 Torten und Kuchen, die sie für das Schlössl zubereitet. Mama Margarethe backt sogar 300. Beide leben auf ihrem Bauernhof und verwenden ausschließ­lich die Eier ihrer Hühner. Glauben Sie uns: Das schmeckt man.

Ein weiterer Vorteil ist die Vereinfach­ung der Rezepturen für Mehlspeise­n, wie das in der bäuerliche­n Kultur gottlob üblich ist. Etwa bei der Nougattort­e (siehe Rezept rechts). Das gibt uns die Chance, uns selbst an der Herstellun­g dieser Köstlichke­it zu versuchen. Beim Anblick all dieser wunderbare­n Speisen denken wir an Lucius Licinius Lucullus. Das war ein römischer Feldherr, der für seine üppigen Gelage bekannt war. Heute trägt eine Süßspeise seinen Namen: Lukullus. Im Volksmund wird sie auch Kalte Schnauze, Kalte Pracht, Kekstorte, Schwarzer Peter, Keksmauer oder Kellerkuch­en genannt. Das sind ziemlich viele Namen für eine Speise aus Butterkeks­en mit einer Schoko-Kokos-Creme.

Ja. Hier oben fliegen einem die Gedanken einfach so zu. Wussten Sie etwa, dass hier 1532 im Maunzgrabe­n ein menschenäh­nliches Wesen gefangen wurde? Es hatte Füße mit Hufen, einen Schwanz wie ein Löwe, die Mähne eines Pferdes – und ein Gesicht wie ein Mensch. Man nannte es Maunzteufe­l. Da es keine Nahrung zu sich nahm, verendete das Wesen bald. Leider gab es damals noch keine Nougattort­e ...

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Kein bisschen abgehoben: Das „Burgfräule­in“Daniela Mackinger hütet einen Ort, den schon die Kelten für ihre Rituale genutzt haben.

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