2003 Schnell verhüllt und eingehaust
Museumsdirektorin Agnes Husslein ließ den „Arc de Triomphe“der Künstlergruppe Gelatin vor dem Rupertinum aufbauen. Das erregte die Gemüter. Schriftsteller Franzobel sprach von einer „Salzburger Provinz-Pimperl-Posse“.
Es war die Sommeraffäre des Jahres 2003. Auch wenn nur wenige den Salzburger Kunstaufreger live sahen, kannten ihn die meisten doch aus den Medien. Die damalige Museumschefin Agnes Husslein hatte den „Arc de Triomphe“der Künstlergruppe Gelatin vor dem Rupertinum aufbauen lassen. Noch vor der offiziellen Eröffnung musste die riesige Figur aus Plastilin mit einem weißen Tuch verhüllt werden. Die Berufsfeuerwehr hauste das Kunstobjekt dann noch mit einem knallgelben Bretterverschlag ein. Ein paar Tage später wurde das Werk vorzeitig aus dem öffentlichen Raum entfernt.
Aus buntem Plastilin formten Gelatin (mittlerweile Gelitin) den fast Nackten in Brücke-Stellung und platzierten ihn auf einem Sockel. Sein durchtrainierter Körper sowie verrutschtes Leiberl und Sportsocken wiesen ihn als Sportler aus. Aus seinem in die Höhe gereckten Penis spritzte Wasser wie aus einem Springbrunnen in den Mund des Vier-Meter-Riesen.
Von „öffentlichem Ärgernis“und „primitiver pornografischer Provokation“war schnell die Rede. Vizebürgermeister Siegfried Mitterdorfer (FPÖ) ordnete per Weisung die Räumung des Platzes an, wie in den SN nachzulesen ist. Museumsdirektorin Husslein und die Künstler legten sich aber quer, auch eine Verlegung des Kunstobjekts in den Hof des Rupertinums lehnten sie ab. Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) sprach von einem „dummen PR-Gag der Frau Husslein“. Vizebürgermeister Karl Gollegger (ÖVP), heute Präsident der Salzburg Foundation (einer privaten Initiative für Kunst im öffentlichen Raum), eröffnete die Diskussion um die Weiterbeschäftigung Hussleins.
Eine Welle der Erregung schaukelte sich auf, am Schluss beschäftigte die Causa sogar die Gerichte. Der Wiener Schriftsteller Franzobel machte sich über die „Salzburger Provinz-Pimperl-Posse“lustig. Um die künstlerische Idee des „Triumphbogens“als Denkmal im öffentlichen Raum ging es in dieser Debatte höchstens am Rand.
Genau das bedauert Florian Reither, eines der vier Mitglieder von Gelitin, 15 Jahre später: „Wo ist das Problem? Wir hätten es gut gefunden, wenn unser Werk zu sehen gewesen wäre.“Die Gruppe wollte seinen Worten nach etwas Barockes für die Sommerausstellung in Salzburg machen, „eine Figur, die in ihrem eigenen Glück schwelgt“. Er spielt auf Fitnesswahn, Schlankheitskult und Schönheitsindustrie an.
In der Rückschau ist Reither klar, warum der „Arc de Triomphe“so ein Aufreger werden konnte: „Es wurde damals nur eindeutig dagegen polemisiert, auch die lokale Kunstszene war zurückhaltend, niemand wollte am Phänomen Agnes Husslein anstreifen. Unser Projekt wurde kleingeredet.“Umso mehr freut ihn der aktuelle Erfolg des Werks. Mit amüsiertem Unterton nennt er es „ein super Teil“.
Zu sehen war die Plastilin-Figur heuer in der Sommerausstellung „Experience Traps“im Middelheimmuseum in Antwerpen (Belgien), letztes Jahr in der Fondazione Prada in Mailand. Zuvor hatte der „Arc de Triomphe“aber – bis auf eine Ausstellung – ein Dasein im Lager gefristet. Mittlerweile verkaufte ihn Gelitin eigenen Angaben nach an den Mailänder Galeristen Massimo De Carlo.
Der Eklat hat zur Gründung des Salzburger Beirats für Kunst im öffentlichen Raum 2005 beigetragen. Unter den ersten Mitgliedern war Hemma Schmutz, damals Direktorin des Kunstvereins und nun Chefin des Lentos in Linz. Ihrer Einschätzung nach wäre die Aufstellung des „Arc de Triomphe“in Salzburg heute kein Problem mehr.
Die Begründung der Kunstexpertin: „Die Künstlergruppe Gelitin hat sich mit ihren Arbeiten als legitime Nachfolger der Wiener Aktionisten etabliert und viele ihrer Themen weitergeführt, so zum Beispiel die Darstellung von Sexualität, Nacktheit oder der partizipatorische Charakter ihrer Kunst.“Durch die MeToo-Debatte gebe es aktuell eine größere Sensibilität in Bezug auf Fragen des Sexismus und dies sei eine wichtige und notwendige Auseinandersetzung.