Salzburger Nachrichten

„In Wien wurlt es von Agenten“

- MARTIN BEHR

Der Historiker Siegfried Beer (70) ist einer der führenden Geheimdien­stexperten Österreich­s. Er hält die Aufregung im Fall des Salzburger Obersten für übertriebe­n.

SN: Hat Sie der nun bekannt gewordene Spionagefa­ll überrascht? Beer: Nein. Dass große Nationen auch in kleinen Staaten spionieren ist Alltag. Alle spionieren und werden ausspionie­rt, das ist „part of the game“. Deshalb halte ich die Empörung der Politiker für unangebrac­ht oder für gespielt. Sicher ist, dass die Politik zu wenig über das Spionage-Business weiß.

SN: Was will Russland über Österreich wissen? Gute Frage. Etwa 85 Prozent der Informatio­nen sind frei zugänglich. Für Infos über unsere Jets und die Migrations­ströme braucht man in Moskau keinen Agenten zu bezahlen. Wenn dieser in 20 Jahren 300.000 Euro verdient hat, dürfte er auch keine große Nummer sein. Überrasche­nd ist aber, dass er 20 Jahre lang im sicher nicht russlandfr­eundlichen Bundesheer nicht aufgefloge­n ist. Ist das Pech oder Unvermögen?

SN: Der Fall beweise, dass auch nach dem Kalten Krieg in neutralen Staaten spioniert werde, sagt Minister Kunasek. Und auch das ist keine Sensation. Neben der staatliche­n, militärisc­hen gibt es noch die private und wirtschaft­liche Spionage. 6000 bis 7000 Personen in Österreich sind auf diesen Gebieten tätig. In Wien wurlt es nur so von Agenten. Hier gibt es viel zu erfahren über Organisati­onen, Firmen und Länder.

SN: Was halten Sie von den heimischen Geheimdien­sten? Trotz geringen Budgets und Personals wird relativ viel geleistet. Es herrscht ja Ruhe: keine Anschläge, Attentate. Das Problem: Unsere Agenten sind im Wesentlich­en unausgebil­det. Ich fordere seit Jahren einschlägi­ge Studien wie bei unseren Nachbarn. Ein Hoffnungss­chimmer: Ab Herbst 2019 könnte es in Krems „Intelligen­ce and Security and Terrorism Studies“geben. So etwas braucht Österreich.

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mit Siegfried Beer

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