Ein Künstler zeigt Gesicht
Revolutionär, Bewahrer, Pazifist: Viele Facetten von Oskar Kokoschka sind in Salzburg zu sehen – auch anhand seiner Selbstporträts.
SALZBURG. Als Oskar Kokoschka 1923 sein „Selbstbildnis von zwei Seiten“schuf, war er längst ein etablierter Künstler. In Dresden hatte er eine Professur, bei der Biennale in Venedig hatte er soeben einen großen Auftritt gehabt. Der Skandal, den er als junger, wilder Expressionist mit seinem frühen Werk „Mörder, Hoffnung der Frauen“(einem Drama und einem Bilderzyklus) ausgelöst hatte, lag fast 15 Jahre zurück. Streitbar blieb Kokoschka aber auch als Kunststar: Sein „Selbstbildnis“, in dem er sich zugleich im Profil und im Halbprofil darstellte, erboste Kritiker und animierte Karikaturisten.
Für seine künstlerischen Überzeugungen das eigene Gesicht hinzuhalten blieb aber weiter eine Konstante in Kokoschkas Schaffen. Als die Nazis 1937 sein Oeuvre als „entartet“brandmarkten, reagierte er, in dem er sein „Selbstbildnis als entarteter Künstler“schuf.
In der aktuellen Kokoschka-Retrospektive im Museum der Moderne auf dem Mönchsberg erinnert ein Film über die NS-Ausstellung „Entartete Kunst“an die Widerstandsfähigkeit des Künstlers. Und sein „Selbstbildnis von zwei Seiten“ist das Plakatsujet der Salzburger Schau. In der hauseigenen Sammlung finden sich zwar nur zwei Gemälde des Künstlers, der in Salzburg 1953 die „Schule des Sehens“ (Sommerakademie) begründete. Dafür verfügt das Museum der Moderne über „fast sein gesamtes druckgrafisches Schaffen“, wie Kuratorin Barbara Herzog am Freitag in Erinnerung rief. Aus mehr als 500 Blättern konnte sie für die umfangreiche Schau wählen. In acht Kapiteln stellt Herzog die Druckgrafiken des Künstlers in ihren jeweiligen Zeitzusammenhang. Kokoschka wurde 1886 in Pöchlarn geboren, 1980 starb er in der Schweiz. Er habe nicht nur „den Zerfall der Monarchie, zwei Weltkriege und den Kalten Krieg“erlebt, oft seien politische Ereignisse auch Auslöser für seine Werkzyklen gewesen. Eine Konstante in seiner Arbeit seien auch Selbstporträts geblieben. „Sie ziehen sich durch sein ganzes Schaffen“, sagte Herzog, vom frühen Bilderzyklus zur Erzählung „Der gefesselte Kolumbus“, in dem er die schmerzhafte Liebe zu Alma Mahler verarbeitete, bis zu den Illustrationen zu Homers „Odyssee“, die der antikenbegeisterte Künstler 1960 schuf. Odysseus, der gegen seine Feinde kämpfen muss, trägt deutlich die Züge Kokoschkas. Das politische Engagement des Künstlers, der vom Freiwilligen im Ersten Weltkrieg zum Pazifisten und Humanisten wurde, sei eine weitere Konstante, sagte der neue Museumsdirektor Thorsten Sadowsky. Die (noch unter Sabine Breitwieser konzipierte) Ausstellung sei ein Beitrag zum 100. Republiksjubiläum. Ausstellung: