„Der Krieg in Vietnam änderte alles“
Bald 81 Jahre und kein bisschen müde: Jane Fonda spricht über die Kämpfe, die sie im Verlauf ihres Lebens ausfechten musste.
Jane Fonda ist bis heute der Inbegriff einer anspruchsvollen Schauspielerin, die sich politisch engagiert. In den 1960er- und 1970erJahren begnügte sie sich nicht damit, eine gute Figur vor der Kamera abzugeben. Unter dem Eindruck des Vietnamkriegs schloss sie sich vielmehr der Friedensbewegung an. Eine Dokumentation thematisiert dieses und andere Kapitel aus ihrem ereignisreichen Leben. Jane Fondas 81. Geburtstag steht am 21. Dezember ins Haus. SN: Frau Fonda, ein Thema kommt in der Dokumentation „Jane Fonda in Five Acts" immer wieder zum Zug: Sie sind eine starke Frau, suchten aber dennoch die Nähe dominanter Männer. Wieso? Jane Fonda: Nun, diese Männer waren alle auf ihre Weise brillant. Von ihnen konnte ich etwas lernen, sie haben mich im Leben weiter vorangebracht, als ich es allein geschafft hätte. Zudem waren sie nie langweilig. Vielleicht lag es auch daran, dass ich früher weniger Selbstvertrauen besaß. Ich dachte, dass ich jemand Besonderes werden könne, wenn mich solche Männern umgeben. SN: Sie waren sozial und politisch sehr aktiv. Was haben Sie aus Ihrer revolutionären Phase gelernt? Ich versuche heute, mehr zuzuhören als zu reden. Aber ich würde diese Phase nicht mit dem Begriff Revolution belegen. Es ging um Veränderungen. SN: Sie sind noch immer um Veränderungen bemüht? Ja, ich bin erst 80 Jahre alt. Wenn ich Glück habe, dann habe ich noch einige Jahrzehnte vor mir. Warum soll man leben und nichts dazulernen, nicht wachsen und sich nicht verändern? Man kann sein Leben vielleicht nicht verlängern, aber man kann es tiefsinniger gestalten. SN: Wann ist Ihnen aufgefallen, dass Sie Ihrem eigenen Potenzial gerecht geworden sind? Ich fange jetzt erst damit an. SN: Warum hat es so lang gedauert? Ich bin eine Spätentwicklerin. Wir leben heute 34 Jahre länger, also ist es nicht schlimm, spät anzufangen. SN: Was reizte Sie an dieser Dokumentation über Ihr Leben? Susan Lacy fragte mich – und ich sagte zu, weil ich sie als Dokumentarfilmerin sehr schätze. Viele Filmschaffende waren schon auf mich zugekommen mit der Bitte, eine Dokumentation über mich zu drehen. Ich wollte es aber mit Susan und für den Sender HBO tun. SN: Der Film basiert zum Teil auf Ihrer Autobiografie. Dieses Buch („My Life so Far“, Anm.) übt noch immer große Anziehungskraft aus. Ich bekomme regelmäßig Briefe und E-Mails. Mich überraschte, dass das Buch Männer und Frauen anspricht. Faszinierend fand ich auch, dass sich viele Menschen mit den Auseinandersetzungen identifizieren, denen ich mich in den unterschiedlichsten Phasen meines Lebens stellen musste. SN: Als da wären? Zum Beispiel familiäre Fragen und Essprobleme. Schwierigkeiten mit Männern und solche mit der Identitätsfindung. SN: Ihre Autobiografie ist sehr offen. Gibt es noch Geheimnisse in Ihrem Leben? Wer weiß? (lacht) Wenn im Buch das eine oder andere Geheimnis unerwähnt blieb, dann werde ich es auch in diesem Interview nicht offenbaren. SN: Wie empfanden Sie die fertige Dokumentation „Jane Fonda in Five Acts“? Es fällt mir schwer, den Film zu sehen. Es ist nicht einfach, in unserer heutigen Zeit über sich selbst zu sprechen. SN: Welches Ereignis hatte den größten Einfluss auf Ihre Entwicklung? Der Vietnamkrieg. SN: Inwiefern? Vor meiner Aktivisten-Laufbahn führte ich ein ereignisreiches, aber bedeutungsloses Leben. Ich war ein hübsches Mädchen, das Filme machte und das Leben in vollen Zügen genoss. Als ich mich in die Friedensbewegung einbrachte, veränderte sich alles. SN: Was hatte Sie zu dem Engagement bewogen? Ich traf amerikanische Soldaten in Paris. Sie erzählten mir, was sie in Vietnam gesehen und getan hatten. Sie rieten mir zur Lektüre des Buchs „Village of Ben Suc“von Jonathan Schell. Vor dieser Erfahrung wusste ich nicht einmal, wo Vietnam liegt. Jetzt aber fiel der Groschen. Mir war klar: „Ich werde von den Politikern meines Landes betrogen.“ SN: Sie begannen, die gesellschaftliche Realität zu hinterfragen? Als ich klein war, diente mein Vater Henry Fonda im Zweiten Weltkrieg. Ich war stolz darauf, wie auch er stolz darauf war. Ähnlich ging es mir später mit dem Krieg in Vietnam. Ich dachte, unsere Männer wären dort aus den richtigen Gründen im Einsatz. Die Einsicht, dass dem nicht so war, erklärt die Entschiedenheit meiner späteren Haltung. Ich beschloss, alles in meiner Macht Stehende zu geben, um den Krieg zu beenden. Und zwar nicht als Einzelkämpferin, sondern als Teil einer Bewegung. SN: Welche Frau hat Sie am meisten beeindruckt? Katharine Hepburn, mit der ich in „Am goldenen See“zusammengearbeitet habe. Keine andere Frau hatte einen größeren Einfluss auf mich als sie. SN: Schauen Sie sich Ihre alten Filme hin und wieder an? Ungern. Ausnahmen sind vielleicht Filme, von denen ich etwas lernen kann, wie „Barfuß im Park“und „Cat Ballou – Hängen sollst du in Wyoming“. SN: Derzeit arbeiten Sie an einer Fortsetzung der Komödie „Warum eigentlich … bringen wir den Chef nicht um?“. Drei Frauen arbeiten unter einem despotischen und sexistischen Chef. Dieses Thema treibt uns heute noch um. Stichwort: #Me Too! Die Verhältnisse sind heute schlimmer als früher. Früher wurde man von einer Firma engagiert. Wenn es Probleme gab, dann hatte man einen Ansprechpartner. Heute wird ein Großteil der Arbeitskräfte nur von externen Firmen mittels eines Untervertrags beschäftigt.
Über unsere Computer können wir viel einfacher als früher belauscht und überwacht werden. Andererseits könnten sexuelle Belästigungen zurückgehen, weil Männer größere Angst davor haben, Frauen zu belästigen. SN: Wird diese Fortsetzung solche sozialen Verhältnisse reflektieren? Wenn nicht, dann mache ich nicht mit. Im Moment sieht es aber danach aus, als wären Dolly Parton, Lily Tomlin und ich dabei. WWW.HBO.COM/DOCUMENTARIES/ JANE-FONDA-IN-FIVE-ACTS