Ohne Regulierung steigen Polarisierung und Radikalisierung
Unregulierte Produktion für YouTube ist ein Treiber für Bewegtbild-Wahlwerbung in den USA. Die EU erweitert TV-Regeln auf diese Kanäle.
Fünf Milliarden Dollar hat der Wahlkampf für die Midterm Elections in den USA gekostet – ein Drittel mehr als 2014. Die größten Brocken davon sind für TV-Spots verpulvert worden. Trotz aller neuen digitalen Möglichkeiten bleibt Fernsehwerbung der Angelpunkt amerikanischer Wahlkämpfe. Das gilt zumindest finanziell. Einige Politik- und Kommunikationsexperten zweifeln längst, ob die Wirkung einen solchen Aufwand noch rechtfertigt. Doch eine breite Infragestellung gibt es nicht, solange die Entscheider für die Verteilung des Werbekuchens mit Fernsehen das beste Geschäft machen. Sie kassieren für die vergleichsweise teuerste Werbeform Provisionen von zehn bis zwanzig Prozent.
Die Gestaltung dieser Filmchen ähnelt aber immer öfter den Videos für die Social-MediaVerbreitung. Das gilt vor allem inhaltlich durch Polarisierung um fast jeden Preis. Dass sogar die rechten Fox News einen Wahl-Spot von USPräsident Donald Trump als zu rassistisch ablehnen, zeigt einen neuen Tiefpunkt für das Niveau dieser Propaganda mit den bewegten Bildern. Dass es so weit kommen konnte, ist die Folge mangelnder Regulierung.
Während die politische Fernsehwerbung den Normen der amerikanischen Aufsichtsbehörde unterliegt, können sich die Kampagnenmacher in den digitalen Kanälen vollkommen ungehindert von solchen Fesseln der Federal Communications Commission (FCC) austoben.
Social Media erwecken namentlich den Eindruck, sie seien Medien, pochen aber auf rechtlich andere Behandlung. Um der Haftung für Inhalte zu entgehen, beharren sie darauf, nur ein Vertrieb zu sein.
Dieser verantwortungslose Status ermöglicht hemmungslos gestaltete Spots für YouTube. Sie sind der Treiber für die Radikalisierung jeglicher Bewegtbild-Wahlwerbung – auch im Fernsehen.
Unterdessen reagiert Europa auf solch technologisch getriebene, gesellschaftlich verheerende Entwicklungen zwar spät, aber immerhin vor deren Ursprungsland. Ausgerechnet am Tag der US-Halbzeitwahlen hat der EU-Ministerrat die Überarbeitung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD) verabschiedet. Ihre Vorschriften gelten erstmals nicht mehr nur für herkömmliche Rundfunkanstalten, sondern auch für Onlinevideodienste. Die EU-Staaten müssen diese Regeln in nationales Recht umsetzen – spätestens bis August 2020. Da erreichen die USA den Höhepunkt ihres nächsten Wahlkampfs. Für seine durch Digitalisierung extrem beschleunigte negative Vorbildwirkung auf europäische Epigonen wirkt die neue AVMD-Richtlinie zumindest wie eine Motorbremse. Peter Plaikner