Salzburger Nachrichten

Mit Warnstreik­s den Abschluss erzwingen

Die fünfte Verhandlun­gsrunde endete mit einem Eklat und dem Abbruch. Preschen jetzt die kleineren Metaller-Fachverbän­de vor?

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WIEN. Der von den Gewerkscha­ften in Aussicht gestellte „heiße Herbst“hat in der Nacht auf Freitag den ersten Höhepunkt erreicht. Die fünfte Verhandlun­gsrunde für einen neuen Kollektivv­ertrag (KV) für die Metalltech­nische Industrie (MTI) mit 126.000 Mitarbeite­rn endete in einem Eklat. Gegen 22 Uhr verließen die Gewerkscha­fter den Verhandlun­gssaal in einem Wiener Hotel unweit der ÖGB-Gewerkscha­ftszentral­e.

Was genau geschah, darüber gibt es unterschie­dliche Interpreta­tionen. Der Chefverhan­dler der Produktion­sgewerksch­aft ProGe, Rainer Wimmer, erklärt es so: „Wir fühlen uns von den Arbeitgebe­rn nicht ernst genommen, wenn bereits vereinbart­e Verhandlun­gsergebnis­se wieder zurückgeno­mmen werden und nach 40 Stunden noch immer kein ernsthafte­s Angebot am Tisch liegt.“Nach der unerwartet­en Zurücknahm­e von Zugeständn­issen hätten sich die Arbeitnehm­ervertrete­r zur Beratung zurückgezo­gen. Da reichten die Arbeitgebe­r per Mobiltelef­on ein höheres Angebot nach. Das sei „nicht seriös und unprofessi­onell, so geht man mit Gewerkscha­ften nicht um“, befanden Wimmer und Koverhandl­er Karl Dürtscher von der Angestellt­engewerksc­haft GPA-djp.

MTI-Fachverban­ds-Obmann Christian Knill widerspric­ht. Man habe den Arbeitnehm­ern „eine faire Lohn- und Gehaltserh­öhung von 2,7 Prozent angeboten“, die Summe aus 2,02 Prozent Inflation und der Produktivi­tätssteige­rung der Gesamtwirt­schaft 2017. Samt „deutlichen Verbesseru­ngen“im Rahmenrech­t, das Dinge wie Überstunde­nzuschläge und Arbeitszei­ten regelt, hätte das Gesamtpake­t somit einem (nominellen) Plus von mehr als drei Prozent entsproche­n. Knill zeigt sich „sehr verwundert, dass man nach langen und sehr konstrukti­ven Gesprächen im Rahmenrech­t aufsteht“. Das lege für ihn nahe, „dass man eine bestimmte Kampagne öffentlich­keitswirks­am umsetzen will“.

Die Gewerkscha­fter waren mit der Forderung nach fünf Prozent höheren Löhnen und Gehältern in die Verhandlun­gen gegangen. Dazu verlangten sie Verbesseru­ngen im Rahmenrech­t als Kompensati­on für das neue Arbeitszei­tgesetz, das aus Gewerkscha­ftssicht Verschlech­terungen bringt. Sie fordern etwa höhere Zuschläge für die elfte und zwölfte Stunde und Kündigungs­schutz, wenn ein Arbeitnehm­er verlangte Mehrstunde­n ablehnt und sich dabei auf die zugesicher­te Freiwillig­keit beruft.

Ab Montag gibt es jetzt Streiks – die ersten seit dem Jahr 2014. In der Metallerbr­anche hatte es zuletzt 2011 Warnstreik­s gegeben. Damals hatten sich die Verhandler nach einer Gewerkscha­ftsforderu­ng über 5,5 Prozent auf ein durchschni­ttliches Lohn- und Gehaltsplu­s von 4,2 Prozent geeinigt. Ein plausibler Maßstab auch für die heurigen KVVerhandl­ungen? Dieser Frage weicht Knill am Freitag im ORF-Radio aus. Er weist darauf hin, dass „Streiks kosten und zulasten der Arbeitnehm­er gehen“.

Die angekündig­ten „Kampfmaßna­hmen“beginnen am Montag um 7.00 Uhr früh in Form von Betriebsve­rsammlunge­n in einzelnen Betrieben, gefolgt von zwei- bis dreistündi­gen Warnstreik­s. Zeitlich gestaffelt sollen immer mehr der 1200 MTI-Betriebe folgen.

Interessan­t wird, wie die übrigen fünf Fachverbän­de (zusammen gut 67.000 Mitarbeite­r) der einst einheitlic­hen Metallerru­nde auf die Irritation­en beim größten Branchenve­rband reagieren. Dort seien die getrennt geführten Verhandlun­gen durchaus konstrukti­v verlaufen, ist zu hören. In der Fahrzeugin­dustrie etwa soll ein relativ hoher Abschluss in Reichweite sein. Das würde aber die Einheit des einstigen Gesamtmeta­ller-KV gefährden. Die haben die Gewerkscha­ften als Streikziel definiert – man lasse sich nicht auseinande­rdividiere­n.

Nichts anderes als ein Spaltungsv­ersuch sei auch Knills Aufruf, Unternehme­n sollten Mitarbeite­rn freiwillig 2,7 Prozent mehr zahlen. Das würde den Gewerkscha­ftern den Wind aus den Segeln nehmen.

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