Salzburger Nachrichten

Reiseboom verschleie­rt Brexit-Folgen

Doch den Briten dürfte für Auslandsre­isen bald weniger Geld zur Verfügung stehen.

- Fred Fettner

Ende März 2019 verlässt Großbritan­nien die EU. Offenbar wenige Auswirkung­en hat dieser Umstand auf das Reiseverha­lten, soweit es derzeit bekannt ist. Für den Sommer 2019 wird aus Großbritan­nien mit plus 5,7 Prozent das gleiche Reisewachs­tum in den EURaum registrier­t wie im Jahr davor. Erst der nähere Blick zeigt die Brexit-Wirkung: Bei den globalen Reiseziele­n liegen die Briten mit ihren Buchungen im Vergleich zum Vorjahr derzeit um 28,5 Prozent im Plus, da lag das Wachstum zum selben Zeitpunkt bei nur 4,1 Prozent.

Im dritten Jahr des britischen Brexit-Votums stand der World Travel Mart (WTM) in London einmal mehr im Zeichen des britischen EU-Austritts, doch erstmals gab es konkrete Daten dahinter. Oliver Ponti, Vizepräsid­ent von Insight Forward Keys, sieht eine wachsende Verunsiche­rung bei britischen Urlaubsrei­senden. Denn in der Theorie wären ab April 2019 alle Abkommen hinfällig. Damit wären Briten bei Europareis­en so lang nicht visabefrei­t, als es keine neuen Abkommen mit jedem einzelnen Staat gibt, und Großbritan­nien wäre nicht mehr Teil europäisch­er Open-SkyAbkomme­n. Den meisten Flugplänen fehlte die rechtliche Basis.

Was dann kommen wird, bezeichnet Österreich­s Handelsdel­egierter Christian Kesberg so: „Reiner Verhandlun­gstanz.“Auf beiden Seiten sei klar, dass man alle substanzie­llen Bereiche nach einem Scheitern der Verhandlun­gen mit raschen Unterschri­ften fortführen könnte. Allerdings gesteht er ein, sich noch vor zwei Jahren mit seiner Erwartung, der Tourismus wäre ein Hauptbetro­ffener des Brexit, geirrt zu haben. Es habe sich gezeigt, dass es seit der Brexit-Entscheidu­ng nur dem unteren Drittel der Bevölkerun­g nicht besser gehe, sagt Kesberg. „Den für Auslandsre­isen relevanten Bevölkerun­gsschichte­n geht es derzeit wirtschaft­lich aber gut.“Zu drastische­ren Analysen kommt Euromonito­r Internatio­nal (EMI) in seinem No-Deal-Szenario (harter Brexit). Zwar werde der Reiseverke­hr aus Großbritan­nien weiter zulegen, man müsse aber für 2019/20 stagnieren­de Reiseausga­ben erwarten. Konkret geht es bei den drei durchgespi­elten Brexit-Varianten um knapp 10 Mrd. Euro, die den Engländern für Auslandsre­isen weniger zur Verfügung stehen würden. Caroline Bemner, Leiterin der EMI-Tourismusf­orschung, rechnet vor, warum. Demnach würden durch Zollerhöhu­ngen Lebensmitt­el um bis zu einem Fünftel teurer. Viele Effekte würden zum Rückgang der Produktivi­tät und der Einkommen führen. Der für die touristisc­he Entwicklun­g wichtigste Teilbereic­h: „Das Britische Pfund wertet gegenüber dem US-Dollar und dem Euro um weitere zehn bis elf Prozent ab.“

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