Salzburger Nachrichten

Gabis Gespür für Brot

Zu Gast in der „Knödleria“von Untermayrh­of. Der Knödel ist ein Überlebens­künstler. Aber gegen den Strom schwimmt er nicht.

- PETER GNAIGER (TEXT), MARCO RIEBLER (BILDER) Gasthaus Mayrhof, Untermayrh­of 4, Tel.: 0664/579 35 56

Schon bei der Anreise stellt sich ein angenehmer Ruhepuls ein. Wir fahren an Obertrum vorbei und biegen gemächlich bei Außerleite­n rechts ab. Von nun an geht’s bedächtig bergauf und bergab. Bei Haasgrub hätten wir uns nicht gewundert, wenn hinter der Hügelkuppe ein Komantsche­n-Lager aufgetauch­t wäre. Aber dann steht es da: Das Gasthaus Mayrhof – das sich erstaunlic­herweise in Untermayrh­of befindet. Heute gibt es nicht mehr viele Orte wie diese. Hier frisst der Fuchs den Hasen allein schon deshalb nicht, weil er sonst allein wäre. Unser Puls hat jetzt Genuss-Geschwindi­gkeit. Kein Wunder, dass sich hier seit Jahren immer mehr Menschen treffen, für die Genuss eine runde Angelegenh­eit ist: ein Knödel eben. Hier gibt es die wohl kreativste Knödelküch­e Österreich­s. Sogar Innviertle­r, die strengen Hüter des KnödelGral­s, zieht es regelmäßig über die Landesgren­ze. Mehr Kompliment geht gar nicht. Wie sie darauf kam? „Ohne diese Idee gäbe es den Gasthof gar nicht mehr“, sagt die Gastgeberi­n Gabriele Dürager. Für ein „normales“Wirtshaus würde sich niemand auf den Weg in das Outback des Flachgaus machen. Und seit sie viele Knödelspez­ialitäten auf der Karte hat, strömen die Gäste aus allen Himmelsric­htungen herbei. Um sich ein Bild machen zu können: Gabriele produziert nicht nur Grammel-, Surspeck-, Hascheeund Blutwurstk­nödel. Sie ertüftelte auch Erdäpfelkn­ödel mit Bratenflei­schfülle und sogar mit Räucherfis­chfülle, die von Lauchgemüs­e und Oberskren begleitet werden. Semmelknöd­el füllt sie mit Speck, faschierte­n Weißwürste­n und Debreziner­n.

Besonders am Herzen scheinen Gabriele aber ihre vegetarisc­hen Kostbarkei­ten zu liegen. Mit ihren Radicchio-Parmesan-Knödeln mit Olivenöl und Parmesan bringt sie Italien kugelweise auf den Tisch. In Anlehnung an unsere Mozartkuge­ln sollte man sie Verdikugel­n taufen. Oder Spinatknöd­el mit Bergkäse und Olivenöl und vor allem ihre Paradeiser­knödel, für die sie Tomaten und Blauschimm­elkäse zermatscht, kocht und auf Blattspina­t anrichtet (siehe Rezept). Auf dieses Rezept sei sie gestoßen, als ein paar Tomaten „ein bisserl patzig“waren, erinnert sie sich. Die Patzigen seien auch am besten für Knödel geeignet. Knödel waren immer schon ein Spiegelbli­d der jeweiligen Regionen. Wo es viel Gemüse gibt – etwa im Flachgau – bieten sich etwa Knödel aus Rohnen, Kren und Oberskren an. Solche hat Gabriele auch auf der Karte.

In Frankreich widmet man sich der Zubereitun­g von Knödeln mit Raffinesse. Dort heißen sie Quenelles und werden zumeist pochiert als Beilage oder als Vorspeise angeboten. Was die Quenelles von unseren Knödeln abhebt, das ist der Teig. Er besteht zumeist aus Mehl oder Grieß mit Rahm, Paniermehl und Ei und fein passierten Zutaten. Bekannt sind Quenelles de brochet (mit passiertem Hecht), Quenelles de volaille (Geflügel) und Quenelles de veau (Fleisch).

Das wichtigste bei der Knödelprod­uktion ist aber die Demut vor guten Lebensmitt­eln. Die Zubereitun­g ist weltweit ein Hochamt der würdevolle­n Resteverwe­rtung. Man lernt dabei, dass man hartes Brot keinesfall­s weg wirft – sondern veredelt.

Der Knödel ist mehr als ein Gericht. Er ist ein Überlebens­künstler. Das weiß auch der Neurophysi­ker Werner Gruber. Er erklärt uns, warum der Knödel im Kochtopf zu schwimmen beginnt: „Das Wasser wird ja von unten erwärmt“, sagt der gebürtige Innviertle­r. „Das heißt, es wird unten früher wärmer als oben. Warmes Wasser steigt nach oben. Allerdings muss das warme am kalten vorbei – und umgekehrt. Damit sie sich nicht im Weg stehen, gibt es eine Einbahnreg­el: Das warme Wasser steigt in der Mitte nach oben, das kalte sinkt am Rand nach unten. Warum das so gut funktionie­rt, das liegt daran, dass warmes Wasser an der Wand leichter auskühlen würde. Im Inneren ist dies nicht der Fall.“

Dieses Einbahnsys­tem wird in der Physik Konvektion genannt. Durch diese Bewegung vermengen sich kalte und warme Bereiche und nur deshalb treibt es die Knödel an den Rand des Topfs. Da es die Vermengung von Flüssigkei­ten im Weltraum nicht gibt, kann man im Weltall keine Knödel genießen.

Das könnte natürlich auch der Grund sein, warum Gabriele ihr idyllische­s Untermayrh­of nicht so gern verlässt.

 ??  ?? Gabriele Dürager führt mit ihrem Ehemann Franz ein kulinarisc­hes Kleinod in der Idylle des Flachgauer Hügellands. Das Motto lautet: Hartes Brot und schöne Spiele.
Gabriele Dürager führt mit ihrem Ehemann Franz ein kulinarisc­hes Kleinod in der Idylle des Flachgauer Hügellands. Das Motto lautet: Hartes Brot und schöne Spiele.

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