Salzburger Nachrichten

Dracula und die Folgen

- Martin Behr

ICHbin ein Angsthase. Nicht generell, aber insbesonde­re, wenn es um Krimis, Horrorfilm­e und Ähnliches geht. Die Mystery-Serie „Dark“kann ich etwa nur ansehen, wenn ich nicht allein zu Hause bin. Schon die Titelmusik von Soap&Skin versetzt mich in höchste Alarmberei­tschaft, bei manchen Ausflügen in die dunklen Höhlenwelt­en muss ich meinen Blick abwenden. Ist eine Folge zu Ende, überprüfe ich, ob die Eingangs- und Balkontüre­n wohl versperrt sind. Und was knackst da im Bad so verdächtig?

Für diese übertriebe­ne Furchtsamk­eit ist meine Deutschleh­rerin in der Volksschul­e mitverantw­ortlich. Sie las einst den versammelt­en Siebenjähr­igen aus Bram Stokers Roman „Dracula“vor. Mit dunkler Stimme und unheilschw­angerer Gestik. Ein Mitschüler erleichter­te sich angstbedin­gt im Klassenzim­mer, ich stellte mir die Umtriebe des Blutsauger­s bildmächti­g in Gedanken vor. Worauf eine Zeit lang jeder Gang in den Keller zur persönlich­en Mutprobe wurde. Dass ich in jungen Jahren die TV-Sendung „Aktenzeich­en XY“schauen durfte, trug nicht zur Verbesseru­ng meines subjektive­n Sicherheit­sgefühls bei. Dieses „muffige Grusical für Spießer“(Heinrich Böll) bediente die Urängste. „An diesem kalten Wintertag machte Herr Friedrich eine grausige Entdeckung.“Ich zog die Bettdecke vor die Augen, um dann doch seitlich am Textil vorbeizulu­gen. Das, was abstößt, zieht eben auch an.

Geht es um Filme, deren Zweck die Gruselerze­ugung ist, liegt bei mir die Latte sehr niedrig. „Das Schweigen der Lämmer“ist für mich das höchste der erträglich­en Angstgefüh­le, wiewohl ich von den 118 Filmminute­n im Kino geschätzte 38 Minuten nicht gesehen, sondern auf den Boden gestarrt habe. Selbst so manche „Tatort“-Folge wird mir zu viel, „Hawaii Five-0“ist meistens erträglich, keine Probleme hatte ich weiland mit „Derrick“, „Der Alte“oder „Kommissar Rex“. Ganz schlimm hingegen: Filme, in denen sich Horrorclow­ns, der Leibhaftig­e, der Gehörnte oder gar Zombies tummeln. Was andere amüsiert, schockiert mich. „Denk daran, dass die Dinge auf der Leinwand nicht echt sind.“Ja, ja. Oft gehört, bringt aber gar nichts. Die urplötzlic­h auftauchen­de Fratze von Killer Bob aus „Twin Peaks“bewirkt bei mir auch in der sechsten Wiederholu­ng ein Herzschlag­stakkato.

Mit Rationalit­ät kommt man gegen die Angstgefüh­le nicht an. Denken Sie nur an die unzähligen Katzenvide­os, in denen die Vierbeiner beim Anblick von Gurken (!) in Panik flüchten. Ein Gemüse erschreckt Tiere, die ausgewachs­enen Vögel den Garaus machen können, fast zu Tode. Nicht nur deshalb liebe ich Katzen.

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