Das beschauliche Salzburg braucht eine Portion Mut
Von Airbnb bis zu den Fiakern: Das Ringen zwischen Moderne und Tradition ist heftig wie nie. Doch Glaubenskriege helfen nicht weiter.
Wenn es besonders hektisch und turbulent wird, gibt es ein wichtiges Gebot: innehalten und durchatmen. Das gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellschaft.
Salzburg erlebt derzeit eine Ballung von Ereignissen, die exemplarisch zeigen, wie sehr sich die große Welt ins kleine Salzburg drängt: Da bedroht die globale Vermietungsplattform Airbnb die eingesessene Hotellerie. Da nimmt der global agierende Fahrdienst Uber Salzburg ins Visier und macht die etablierten Taxiunternehmen unruhig. Zeitgleich wappnen sich Salzburger Metallarbeiter, denen der Wind der Globalisierung schon lange ins Gesicht bläst, zum Streik. Sie pochen auf ein größeres Stück vom Kuchen, fordern deutlich mehr Lohn, als die Unternehmer zu geben bereit sind. Und das vor dem Hintergrund, dass seit der Jahrtausendwende die Reallohnzuwächse nicht gerade üppig ausgefallen sind.
Alle drei Beispiele zeigen, dass sich der Verteilungskampf verschärft. Und die ersten zwei zeigen exemplarisch, dass das Seil zwischen Moderne und Tradition angespannt ist wie lange nicht mehr. Die Digitalisierung verschärft das Ringen zwischen Alt und Neu. Da wachsen neue Welten, die faszinieren, zugleich aber vor den Kopf stoßen. Da entstehen neue Möglichkeiten, die begeistern, zugleich aber fragwürdige Begleiterscheinungen provozieren. Sicher ist nur: Die Wucht der Globalisierung verändert auch regionales Leben nachhaltig.
In solchen Momenten ist eine Gesellschaft besonders gefordert: Es braucht ein gutes Austarieren, ein gesundes Maß. Starr an Traditionen festzuhalten ist ebenso falsch wie der scheinbar glitzernden neuen Welt blindlings nachzulaufen. Airbnb zum Beispiel ist nicht per se gut oder böse. Die Plattform Pferde-Apple . . . bietet faszinierende Möglichkeiten für den Einzelnen, birgt aber Gefahren für das Gemeinwesen. Letztere zu begrenzen, ohne die neuen Technologien zu verteufeln, ist das Gebot der Stunde.
Dafür braucht eine Gemeinschaft neben gutem Gespür einen festen Wertekatalog. Sie muss aber auch bereit sein, sich zu bewegen und weiterzuentwickeln. Salzburg, daran besteht kein Zweifel, neigt zum Klammern und Verharren, es ist Neuem gegenüber nicht sehr aufgeschlossen. In diesem Sinn gilt es, Land und Leute zu ermuntern, sich auf Unbekanntes auch einmal einzulassen, dabei aber eine gesunde Portion Skepsis nicht zu verlieren.
Denn eines ist auch sicher: Salzburg muss sich nicht neu erfinden, es sollte speziell seine lokal gefestigten Wirtschaftsstrukturen auf keinen Fall gefährden. Und Salzburg hat es schon gar nicht Not, dem Zeitgeist hinterherzuhecheln. Womit sich der Bogen zum jüngsten Reizthema dieser Tage spannt: Bindet den Fiakerpferden wenn nötig Windeln um, konzipiert vielleicht auch straßenschonendere Routen, aber lasst die Fiaker in der Altstadt. Sie gehören dorthin – genauso wie die Mozartstatue und der Chiemseehof.