Salzburger Nachrichten

Das beschaulic­he Salzburg braucht eine Portion Mut

Von Airbnb bis zu den Fiakern: Das Ringen zwischen Moderne und Tradition ist heftig wie nie. Doch Glaubenskr­iege helfen nicht weiter.

- Hermann Fröschl WWW.SN.AT/WIZANY

Wenn es besonders hektisch und turbulent wird, gibt es ein wichtiges Gebot: innehalten und durchatmen. Das gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellscha­ft.

Salzburg erlebt derzeit eine Ballung von Ereignisse­n, die exemplaris­ch zeigen, wie sehr sich die große Welt ins kleine Salzburg drängt: Da bedroht die globale Vermietung­splattform Airbnb die eingesesse­ne Hotellerie. Da nimmt der global agierende Fahrdienst Uber Salzburg ins Visier und macht die etablierte­n Taxiuntern­ehmen unruhig. Zeitgleich wappnen sich Salzburger Metallarbe­iter, denen der Wind der Globalisie­rung schon lange ins Gesicht bläst, zum Streik. Sie pochen auf ein größeres Stück vom Kuchen, fordern deutlich mehr Lohn, als die Unternehme­r zu geben bereit sind. Und das vor dem Hintergrun­d, dass seit der Jahrtausen­dwende die Reallohnzu­wächse nicht gerade üppig ausgefalle­n sind.

Alle drei Beispiele zeigen, dass sich der Verteilung­skampf verschärft. Und die ersten zwei zeigen exemplaris­ch, dass das Seil zwischen Moderne und Tradition angespannt ist wie lange nicht mehr. Die Digitalisi­erung verschärft das Ringen zwischen Alt und Neu. Da wachsen neue Welten, die fasziniere­n, zugleich aber vor den Kopf stoßen. Da entstehen neue Möglichkei­ten, die begeistern, zugleich aber fragwürdig­e Begleiters­cheinungen provoziere­n. Sicher ist nur: Die Wucht der Globalisie­rung verändert auch regionales Leben nachhaltig.

In solchen Momenten ist eine Gesellscha­ft besonders gefordert: Es braucht ein gutes Austariere­n, ein gesundes Maß. Starr an Traditione­n festzuhalt­en ist ebenso falsch wie der scheinbar glitzernde­n neuen Welt blindlings nachzulauf­en. Airbnb zum Beispiel ist nicht per se gut oder böse. Die Plattform Pferde-Apple . . . bietet fasziniere­nde Möglichkei­ten für den Einzelnen, birgt aber Gefahren für das Gemeinwese­n. Letztere zu begrenzen, ohne die neuen Technologi­en zu verteufeln, ist das Gebot der Stunde.

Dafür braucht eine Gemeinscha­ft neben gutem Gespür einen festen Wertekatal­og. Sie muss aber auch bereit sein, sich zu bewegen und weiterzuen­twickeln. Salzburg, daran besteht kein Zweifel, neigt zum Klammern und Verharren, es ist Neuem gegenüber nicht sehr aufgeschlo­ssen. In diesem Sinn gilt es, Land und Leute zu ermuntern, sich auf Unbekannte­s auch einmal einzulasse­n, dabei aber eine gesunde Portion Skepsis nicht zu verlieren.

Denn eines ist auch sicher: Salzburg muss sich nicht neu erfinden, es sollte speziell seine lokal gefestigte­n Wirtschaft­sstrukture­n auf keinen Fall gefährden. Und Salzburg hat es schon gar nicht Not, dem Zeitgeist hinterherz­uhecheln. Womit sich der Bogen zum jüngsten Reizthema dieser Tage spannt: Bindet den Fiakerpfer­den wenn nötig Windeln um, konzipiert vielleicht auch straßensch­onendere Routen, aber lasst die Fiaker in der Altstadt. Sie gehören dorthin – genauso wie die Mozartstat­ue und der Chiemseeho­f.

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