Salzburger Nachrichten

Köpfe bilden Grauen ab

Der bildende Künstler Anton Thiel hat Schreckens­erzählunge­n seines Vaters verarbeite­t. In Mondsee treffen 99 Tonköpfe auf neue Töne.

- FLORIAN OBERHUMMER Zeit(w)ende, Stiftsbasi­lika Mondsee, Sonntag, 15 Uhr.

MONDSEE. Am Anfang steht eine Geschichte aus dunkelster Zeit. Ein Vater erzählt seinem Sohn von seinen Erlebnisse­n in einem Anhaltelag­er am Balkan während des Zweiten Weltkriegs. Die Partisanen rächen sich an NS-Soldaten und Zivilisten für die erlittenen Gräuel. Ein Kommandant lässt Gefangene bis zum Hals in der Erde eingraben und zerfurcht ihre Köpfe mit einer Egge.

Dieses Schreckens­bild hinterließ bei Anton Thiel bleibenden Eindruck. „Auf einer Reise durch Kambodscha habe ich mir die Killing Fields der Roten Khmer angeschaut. Die Folterhand­lungen dort haben die Erzählung meines Vaters wieder hervorgeru­fen“, erzählt er. In grauer Vorzeit sollen die Türken aus Köpfen Enthauptet­er einen Turm gebaut haben. Menschlich­en Grausamkei­ten sind keine Grenzen gesetzt.

Der Künstler arbeitete diese Kopfbilder auf seine Weise auf: Er formte deformiert­e Köpfe aus Ton. 99 sind es an der Zahl, „weil es 99 Namen Allahs gibt und alles andere über die Vorstellun­gskraft hinausgeht“. Die Tonköpfe waren bereits in der Margarethe­nkapelle in St. Peter zu sehen. Die Reaktionen auf die Ausstellun­g „Dekapitati­on“(lateinisch für „Enthauptun­g“) waren eindringli­ch. „Eine ältere Frau aus Israel kam auf mich zu und fühlte sich beunruhigt, als würde es um ein Pogrom gehen. Sie hat die Geschichte intuitiv begriffen“, erzählt Thiel.

Ab Sonntag sind seine unheimlich­en Tonköpfe wieder zu sehen. Diesmal in der Stiftsbasi­lika Mondsee, wo sie auf bislang ungehörte Klänge treffen werden. Der Komponist Marco Lemke, ein Lehrerkoll­ege aus dem Musischen Gymnasium, hat ein Kammerrequ­iem geschaffen. Die Vertonung expression­istischer Texte von Franz Werfel, Else Lasker-Schüler u. a. wird von drei Sängerinne­n, einer Rezitatori­n und einem Bläserquin­tett aus der Taufe gehoben. Die Besetzung ist namhaft, unter den Mitwirkend­en finden sich Literaturw­issenschaf­ter Karl Müller und Eva Schinwald, einst Maria beim Salzburger Adventsing­en.

Die Gräuel von 1945 werden jenen von 1918 gegenüberg­estellt. „Wir thematisie­ren, was passiert, wenn Zeitenumbr­üche stattfinde­n“, sagt Thiel. Können sich diese Gräuel aus dunklen Zeiten auch heute wiederhole­n? Anton Thiel gibt den Mahner: „Unsere Gesellscha­ft wendet sich langsam in eine andere Richtung.“ Konzert:

„Wir spüren den Zeitenwend­en von 1918 und 1945 nach.“

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BILD: SN/THIEL 99 Köpfe aus Ton stellt der Künstler Anton Thiel in der Stiftsbasi­lika Mondsee aus.
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Anton Thiel, Künstler und Lehrer
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