Salzburger Nachrichten

ERDÖL

Man kann Erdöl sehr viel klüger verwenden als es zu verbrennen, sagt OMV-Vorstandsc­hef Rainer Seele. Gas aus Russland habe den Vorteil, dass man es über Pipelines nach Europa bringen kann. Und es sei billiger als US-Flüssiggas.

- RICHARD WIENS

OMV-Chef Rainer Seele sagt im SN-Interview, dass Erdöl sehr viel klüger verwendet werden könnte, als es zu verbrennen.

SN: Sie haben dieser Tage die Gaslieferu­ng von Gazprom vertraglic­h noch einmal erhöht. Vielen macht die Abhängigke­it von russischem Gas Sorgen. Ihnen offenbar nicht? Rainer Seele: Nein, wir haben dieses Jahr fünfzig Jahre Gaslieferu­ngen aus Russland gefeiert, in denen sich Russland als verlässlic­her Partner erwiesen hat. Wir haben diese Partnersch­aft bis 2040 besiegelt und zusätzlich­e Mengen unter Vertrag genommen, weil wir von einer höheren Importnach­frage nach Erdgas ausgehen. Dabei ist die preisliche Attraktivi­tät ein Kriterium. Diversifiz­ierung ist wichtig, aber andere Quellen müssen auch wettbewerb­sfähig sein. Denn unsere Kunden sind nicht bereit, höhere Preise für Gas zu bezahlen, nur weil es aus einem bestimmten Land kommt. SN: Das heißt, das viel diskutiert­e Flüssiggas aus den USA ist keine echte Alternativ­e? Gas aus den USA ist etwa ein Drittel teurer als das aus Russland, das ist eine substanzie­lle Größenordn­ung. Und zweitens sind die Produzente­n aus den USA nicht bereit, eine europäisch­e Preisforme­l zu akzeptiere­n. SN: Also ist US-Flüssiggas vorderhand keine Option? Wir sind bereit, Gas aus den USA zu kaufen, wenn der Preis stimmt. SN: Führt bei der Energiever­sorgung Europas an Russland also gar kein Weg vorbei? Wir haben bei den Gaslieferu­ngen in Europa einen Anteil von knapp 30 Prozent an russischem Gas. Wir sollten aber nicht immer nur über Russland diskutiere­n. Wir haben einen hohen Anteil von Gas aus Norwegen. Darüber wird interessan­terweise nie diskutiert. SN: Vielleicht auch, weil die Länder politisch anders eingeschät­zt werden? Ja, aber aus Sicht des Importeurs ist das Gas in beiden Fällen verlässlic­h angekommen. Die größten Sorgen machen wir uns derzeit eher über Gaslieferu­ngen aus Nordafrika, weil dort die politische Stabilität tatsächlic­h eine völlig andere ist. SN: Umstritten ist auch Nord Stream 2, die Erdgaspipe­line, an der die OMV beteiligt ist. Was sagen Sie zur Kritik? Wir investiere­n mit Nord Stream 2 in die Diversifiz­ierung der Erdgasimpo­rte, insbesonde­re nach Österreich. Ich sehe das auch unter dem Gedanken des Wettbewerb­s, dem müssen sich auch Transitlän­der stellen. Da geht es nicht nur um den Preis, sondern um die Qualität der Transitlei­stung. Unsere Sorge als OMV, die das Gas aus Russland fast ausschließ­lich über die Ukraine bekommt, sind die fehlenden Investitio­nen in die Erhaltung der Pipeline. Das sehen wir an starken Druckschwa­nkungen, es gibt auch Unfälle. Das diskutiere­n wir seit einer Dekade, aber in der Ukraine ist nichts passiert. Es gibt kaum Investoren, die Geld für die Erhaltung oder zusätzlich­e Kapazitäte­n bereitstel­len, noch sehen wir, dass die Ukraine die hohen Einnahmen aus dem Gastranspo­rt dafür verwendet. SN: OMV ist ein großer Kunde von Gazprom, aber Sie fühlen sich nicht von ihr abhängig? Ich rede nicht von Abhängigke­it, wir haben eine kommerziel­le Partnersch­aft, die auf Gegenseiti­gkeit beruht. Wir brauchen das Gas aus Russland, und Russland braucht unseren Euro – dringender denn je. SN: Wie sieht der Aktionär IPIC aus Abu Dhabi den starken Fokus der OMV auf Russland? Erstens stimme ich Ihnen nicht zu, dass wir einen starken Fokus auf Russland haben. Wir haben heuer zwei Ölfelder in Abu Dhabi unter Vertrag genommen. Wenn wir das Engagement mit Borealis (OMVChemiet­ochter, Anm.) dazuzählen, haben wir in Abu Dhabi mehr Kapital eingesetzt als in Russland. Der Fokus der OMV liegt jetzt eigentlich im Mittleren Osten und in Asien. Beide Aktionäre (IPIC und Republik, Anm.) unterstütz­en diese Strategie. SN: Die Republik will ihre Unternehme­nsbeteilig­ung mit der ÖBAG künftig aktiver verwalten. Fürchten Sie mehr Einfluss der Politik auf OMV? Ich sehe das eigentlich positiv. Das neue Modell ermöglicht einen direkten Dialog mit der Regierung über deren Interessen. Wenn ich die Erfolgsges­chichte der OMV in den letzten zwei, drei Jahren Revue passieren lasse, muss ich sagen, die wurde auch wesentlich dadurch erreicht, dass wir die Unterstütz­ung der Regierung hatten. Die OMV befindet sich in einem politische­n Geschäft. Ich gehe aber davon aus, dass das operative Geschäft überhaupt nicht betroffen ist, das ist durch das Aktienrech­t klar geregelt. SN: Sie sagen, ein Öl- und Gaskonzern wie die OMV betreibt ein politische­s Geschäft. Auch der Ölpreis ist politisch getrieben, aktuell vielleicht sogar stärker als sonst. Wie geht es aus Ihrer Sicht weiter? Der Ölpreis wird im Handel zunehmend durch geopolitis­che Risiken bestimmt. Die Sanktionsp­olitik der USA haben ihn auf ein Niveau von 80 Dollar gebracht. Dazu kommen die Konflikte im Jemen und in Syrien. Die Frage ist auch, ob der Konflikt zwischen den USA und China zu einer Abkühlung der Konjunktur und damit schwächere­n Ölnachfrag­e führt. Das müssen wir abwarten. SN: Auf die Geopolitik hat man als Unternehme­n keinen Einfluss. Wie kann man sich gegen diese Risiken wappnen? Das Portfolio wird geografisc­h breiter. Dazu kommt die integriert­e Kooperatio­n wie in Russland. Dort investiere­n wir in die Produktion, haben aber auch Abnahmever­träge, das bringt einen Risikoausg­leich. Und intern haben wir den Ausgleich der Investitio­nen in die Förderung mit dem Geschäft der Veredelung von Öl und Gas. Da liegt unser Hauptgesch­äft ausschließ­lich in sicheren Regionen, nur in Europa. Das ist unser Hauptmarkt, unsere Kunden sind zu mehr als 80 Prozent in Europa und zahlungstr­eu. SN: Alles spricht von der Elektrifiz­ierung der Wirtschaft. Regierungs­vertreter sagten diese Woche, Österreich gehe den Weg in eine erdölfreie Gesellscha­ft. Wie schätzen Sie solche Aussagen ein? Eine erdölfreie Gesellscha­ft kann ich mir, ehrlich gesagt, nicht vorstellen. Denn Erdöl ist ein wesentlich­er Rohstoff für die chemische Industrie und wird es auch bleiben. Der ganze Raum hier ist voll mit Erdöl als Vorprodukt. Darauf stellen wir uns bei der OMV ein. In Österreich wären wir auch nicht gut beraten, einen solchen Rückschrit­t zu machen, dass wir auf die hochtechno­logischen Produkte, die wir aus dem Erdöl durch chemische Verfahren herstellen, verzichten sollten. Schon das ist eine weitere Existenzbe­rechtigung für die Erdölindus­trie. Zum anderen werden wir Erdölprodu­kte auch im Zeitalter der EMobilität brauchen. Ich gehe davon aus, dass wir nicht auf Beton-, sondern auf Asphaltstr­aßen fahren werden, egal mit welchem Antrieb. Wir erwarten auch Anstiege beim Treibstoff für Flugturbin­en. Wenn wir sagen, wir fassen Erdöl allein aus ökologisch­en Gründen nicht mehr an, dann begehen wir einen enorm großen Fehler. Unseren Mitarbeite­rn in der Raffinerie Schwechat sage ich mit aller Deutlichke­it, dass sie einen guten und nachhaltig sicheren Arbeitspla­tz haben. SN: Das Credo „Raus aus dem Öl“stimmt also so nicht? Wir müssen in den Aussagen differenzi­erter werden. Beim Heizen sehen wir ja jetzt schon den Trend weg vom Heizöl. Aber auf Öl als Grundstoff wird die chemische Industrie nicht verzichten können. SN: Entwickelt sich die OMV zu einem Chemiekonz­ern? Bei bestimmten Produkten aus unseren Raffinerie­n – bei Treibstoff­en und Heizöl – ist der Bedarf längerfris­tig rückläufig. Unsere Antwort darauf ist, dass wir uns mehr auf Kerosin, also Flugbenzin, und auf Petrochemi­e ausrichten. Der Beitrag der OMV ist, dass wir Rohöl weniger verbrennen und dafür mehr veredeln, wir investiere­n eher in die Wertschöpf­ungskette der Chemie.

Rainer Seele (*1960) begann nach Abschluss seines Chemiestud­iums in der Forschung von BASF und machte dann Karriere beim deutschen Ölund Gaskonzern Wintershal­l, den er von 2009 bis 2015 führte. Seit Juli 2015 ist Seele Vorstandsc­hef der OMV, die er strategisc­h neu positionie­rte.

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BILD: SN/KOLARIK Mit der Pipeline Nord Stream 2 entsteht laut Seele eine sichere Route für Erdgas aus Sibirien.

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