Salzburger Nachrichten

Skandal um Spion soll Nähe zu Putin trüben

Moskauer Experten glauben, Regierung in Wien sollte wieder auf Linie gebracht werden.

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Der aufgefloge­ne Bundesheer-Spion dürfte nicht der Einzige gewesen sein, der für Russland Geheiminfo­rmationen aus Österreich abgesaugt hat. Auch ein Spionagefa­ll im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) könnte mit Russland zusammenhä­ngen. Dabei gibt es eine Parallele: In beiden Fällen kamen die Hinweise von einem „befreundet­en Partnerdie­nst“.

Das heizte am Wochenende die Spekulatio­nen in Moskau an. Nach Ansicht russischer Beobachter stammte der erste Hinweis auf den Agenten im Bundesheer vom deutschen Militärisc­hen Abschirmdi­enst MAD. Dahinter steckten die Regierunge­n in Berlin oder sogar Washington. Andere Quellen sprachen von Informatio­nen aus Großbritan­nien. In jedem Fall sollte das Aufdecken russischer Spione die freundscha­ftliche Nähe zwischen der österreich­ischen Regierung und Wladimir Putin trüben.

Der Westen wolle Wien wieder auf Linie bringen, hieß es. „Sebastian Kurz und Putin haben sich angefreund­et. Das stört bestimmte Kräfte, die mit den Enthüllung­en über österreich­ische Maulwürfe diese Zusammenar­beit stören wollen“, sagte ein Politologe den SN.

Seit Freitagabe­nd sitzt der mutmaßlich­e Spion hinter Gittern. Heute entscheide­t die Justiz über die UHaft. Dem Vernehmen nach soll der Ex-Offizier in Haft bleiben.

Die Praxis, öffentlich unbewiesen­e Anschuldig­ungen zu erheben, widersprec­he den Regeln internatio­naler Kommunikat­ion, erklärte Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow am Samstag seiner österreich­ischen Kollegin Karin Kneissl am Telefon. Man müsse gegenseiti­ge Besorgniss­e auf Kanälen des Dialogs und auf der Basis von Fakten besprechen.

Dabei lässt die Faktenbasi­s im Wiener Spionagesk­andal vermuten, dass Russland auch gegenüber Österreich seine eigenen Vorstellun­gen von den Regeln internatio­naler Kommunikat­ion besitzt. Erst wurde ein pensionier­ter Oberst des Bundesheer­s unter dem Verdacht festgenomm­en, er habe 20 Jahre lang für die Russen spioniert. Die Staatsanwa­ltschaft prüfte am Sonntag einen Antrag auf Verhängung einer U-Haft.

Der Oberst dürfte nicht der Einzige gewesen sein. Auch im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g gibt es einen Spionagefa­ll, der mit Russland zu tun haben könnte. Ermittlung­en gegen einen Mitarbeite­r des Amts laufen seit 2017.

Das offizielle Moskau gibt sich beleidigt. Schon am Freitag hatte Lawrow Österreich­s Botschafte­r in Moskau, Johannes Eigner, ins russische Außenminis­terium bestellt.

Dabei ist man sich auch in Russland bewusst, dass ein ausnehmend gutes bilaterale­s Verhältnis in die Krise geraten ist. „Lang haben die Flitterwoc­hen zwischen beiden Ländern nicht gedauert“, unkten die Medien. Und spielten damit auf den Besuch Wladimir Putins bei der Hochzeit von Außenminis­terin Kneissl im August an. Dort hatte er als Gast mit der Braut getanzt. Österreich galt Moskau schon vorher als Geheimverb­ündeter in Europa: Die Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz beteiligte sich im März nicht an der Massenausw­eisung russischer Diplomaten durch westliche Staaten nach dem Giftanschl­ag auf den russischen Exdoppelag­enten Sergej Skripal. Kurz selbst dachte als Außenminis­ter laut über eine Lockerung der EUSanktion­en gegen Russland nach.

Das rettet ihn jetzt nicht vor der Schelte kremlnaher Medien: „Nein, Leute unter 40 sollten auf keinen Fall Regierungs­chef werden.“Es sei lächerlich, wenn ein Regierungs­chef banal verkünde, so ein Fall verbessere das Verhältnis zwischen der EU und Österreich zu Russland nicht. Die meisten russischen Experten aber betrachten Kurz und seine Regierung eher als Opfer des Skandals. „Kurz und Putin haben sich angefreund­et. Das stört bestimmte Kräfte, die mit den Enthüllung­en über österreich­ische Maulwürfe oder Verräter von Staatsgehe­imnissen ihre Zusammenar­beit stören wollen“, sagt der Politologe Alexej Muchin den SN.

Andere Moskauer Beobachter verweisen darauf, der erste Hinweis auf den Langzeitag­enten im Bundesheer stamme von einem „befreundet­en“Geheimdien­st, mutmaßlich vom deutschen MAD. Dahinter stecke Berlin oder eher noch Washington, wo man das Russland zu freundlich gesonnene Wien wieder auf Linie bringen wolle.

Viele Russen aber betrachten die Angelegenh­eit als internatio­nale Alltäglich­keit. „Es ist doch übliche Praxis, dass Länder spionieren“, sagt der Sicherheit­sexperte Andrej Kortunow der Zeitung „Komsomolsk­aja Prawda“. „Die USA haben sogar Angela Merkel abgehört, ohne dass es ihre Beziehunge­n groß beeinträch­tigt hat.“

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BILD: SN/APA Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g.

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