Eine schwarze Null. Und dann?
Wenn die Regierung die „Budgetsanierung“bejubelt, gleicht sie einem Langstreckenläufer, der einen neuen Rekord bejubelt. Freilich bergab und bei Rückenwind.
„Es beginnt eine gute Zeit“, denn im Jahr 2019 werde Österreich erstmals seit 65 Jahren mehr einnehmen, als es ausgebe. Diese Frohbotschaft verkündete Finanzminister Hartwig Löger am 21. März dieses Jahres, als er dem Parlament sein Doppelbudget 2018/2019 vorstellte.
Und in der Tat, es sieht nicht übel aus. Zumindest auf den ersten Blick. Auch die vergangene Woche veröffentlichte EU-Herbstprognose stellt den Staatsfinanzen ein gutes Zeugnis aus. Stabile Steuereinnahmen würden ein ausgeglichenes Budget 2019 möglich machen, schätzt die EU-Kommission, die nicht im Verdacht steht, türkis-blaue Propaganda zu betreiben. Die Kommission legt ihren Berechnungen ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent zugrunde. Das, und hier beginnen die schlechten Nachrichten, in den Folgejahren auf 2,0 und 1,8 Prozent sinken werde. Und dann? Die Frage „Und dann?“stellt sich auch angesichts des Berichts für die ersten drei Quartale des laufenden Budgetjahres, den das Finanzministerium dieser Tage abgeliefert hat. Zugegeben, die Zahlen sind erfreulich. So sei bisher
Die Staatseinnahmen sprudeln. Doch nicht für alle Zeit.
der Bundeszuschuss zu den Pensionen der Privatwirtschaft um 405 Millionen Euro geringer ausgefallen als in den ersten drei Quartalen 2017. Klar: In Zeiten der Hochkonjunktur gibt es auch mehr Beitragszahler. Doch wie wird die Bilanz aussehen, wenn in den bevorstehenden Zeiten der Nicht-mehr-ganz-so-hoch-Konjunktur die Zahl der Beitragszahler nicht mehr so rasant steigt wie derzeit?
Erfreulich für den Finanzminister ist auch der Umstand, dass die Lohnsteuer um 1,2 Milliarden mehr einbrachte als im Vorjahr. Bei der Umsatzsteuer ergab sich ein Plus von 861 Millionen. Bei der Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne waren es um 722 Millionen Euro mehr. Insgesamt sind die Steuereinnahmen um 2,3 auf 63,9 Mrd. Euro gestiegen. Das ist ein Zuwachs von 3,8 Prozent, was klar über den ursprünglichen Erwartungen von 2,2 Prozent liegt. Alles wunderschön. Nur: Was passiert, wenn demnächst aufgrund der bevorstehenden Konjunkturabflachung weniger Steuern in die Staatskassen sprudeln als in den derzeitigen Monaten des Überflusses?
Übrigens lohnt nicht nur ein Blick auf die Einnahmen, sondern auch auf die Ausgaben. Laut den Zahlen des Finanzministeriums hat der Bund in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe um 102,4 Millionen Euro weniger ausgegeben als in den ersten drei Quartalen 2017. Auch hier die Frage: Wie wird diese Bilanz aussehen, wenn es demnächst aufgrund schwächelnder Konjunktur wieder mehr Arbeitslose geben sollte?
Oder wenn die Abschaffung des Pflegeregresses und die Überalterung der Gesellschaft zu höheren einschlägigen Kosten führen? Das Finanzministerium weist für „Soziales“, worunter auch die Kosten für den Wegfall des Pflegeregresses subsumiert werden, Mehrausgaben von 253 Millionen aus. Was wird geschehen, wenn der Run auf die Pflegeheime anhält? Und eine älter werdende Bevölkerung steigenden Pflegebedarf hat?
Und, wenn wir schon beim Fragestellen sind: Wie will die Regierung ihre geplante Steuerreform finanzieren, die den Steuerzahlern ja eine Ersparnis von mehreren Milliarden Euro bringen soll? Wird die Regierung, wie im Wahlkampf versprochen, die kalte Progression beseitigen? Oder wird sie diese inflationsbedingten Mehreinnahmen, die zu einer unbilligen Belastung der Lohnsteuerpflichtigen führen, wie alle Regierungen vor ihr als willkommenes Körberlgeld betrachten? Fragen, nichts als Fragen! Ist beim sehr sinnvollen, aber auch sehr teuren Familienbonus schon das Ende der finanziellen Fahnenstange erreicht? Wie sieht es mit fälligen Investitionen aus, beispielsweise in Ganztagsschulen und in die Universitäten? Und was tun wir, wenn wieder die Zinsen steigen und sich Österreich nicht mehr, wie bisher, faktisch zinsenlos verschulden kann?
Die zentrale Frage, warum die Regierung angesichts der sprudelnden Einnahmen das geplante Nulldefizit erst 2019 und nicht bereits heuer erreicht, verkneifen wir uns; oder wir verweisen auf den Thinktank Agenda Austria, der es als „Kunststück“bezeichnete, die schwarze Null nicht schon heuer einzufahren. Wenn die Regierung über die erfolgte „Budgetsanierung“jubelt, gleicht sie einem Langstreckenläufer, der über einen neuen Rekord jubelt. Der leider bergab bei Rückenwind erzielt wurde.