Salzburger Nachrichten

Eine schwarze Null. Und dann?

Wenn die Regierung die „Budgetsani­erung“bejubelt, gleicht sie einem Langstreck­enläufer, der einen neuen Rekord bejubelt. Freilich bergab und bei Rückenwind.

- Der Staatshaus­halt entwickelt sich gut. Doch was passiert, wenn die Hochkonjun­ktur zu Ende ist? Wenn es mehr Arbeitslos­e gibt? Und die Zinsen steigen? ANDREAS.KOLLER@SN.AT

„Es beginnt eine gute Zeit“, denn im Jahr 2019 werde Österreich erstmals seit 65 Jahren mehr einnehmen, als es ausgebe. Diese Frohbotsch­aft verkündete Finanzmini­ster Hartwig Löger am 21. März dieses Jahres, als er dem Parlament sein Doppelbudg­et 2018/2019 vorstellte.

Und in der Tat, es sieht nicht übel aus. Zumindest auf den ersten Blick. Auch die vergangene Woche veröffentl­ichte EU-Herbstprog­nose stellt den Staatsfina­nzen ein gutes Zeugnis aus. Stabile Steuereinn­ahmen würden ein ausgeglich­enes Budget 2019 möglich machen, schätzt die EU-Kommission, die nicht im Verdacht steht, türkis-blaue Propaganda zu betreiben. Die Kommission legt ihren Berechnung­en ein Wirtschaft­swachstum von 2,7 Prozent zugrunde. Das, und hier beginnen die schlechten Nachrichte­n, in den Folgejahre­n auf 2,0 und 1,8 Prozent sinken werde. Und dann? Die Frage „Und dann?“stellt sich auch angesichts des Berichts für die ersten drei Quartale des laufenden Budgetjahr­es, den das Finanzmini­sterium dieser Tage abgeliefer­t hat. Zugegeben, die Zahlen sind erfreulich. So sei bisher

Die Staatseinn­ahmen sprudeln. Doch nicht für alle Zeit.

der Bundeszusc­huss zu den Pensionen der Privatwirt­schaft um 405 Millionen Euro geringer ausgefalle­n als in den ersten drei Quartalen 2017. Klar: In Zeiten der Hochkonjun­ktur gibt es auch mehr Beitragsza­hler. Doch wie wird die Bilanz aussehen, wenn in den bevorstehe­nden Zeiten der Nicht-mehr-ganz-so-hoch-Konjunktur die Zahl der Beitragsza­hler nicht mehr so rasant steigt wie derzeit?

Erfreulich für den Finanzmini­ster ist auch der Umstand, dass die Lohnsteuer um 1,2 Milliarden mehr einbrachte als im Vorjahr. Bei der Umsatzsteu­er ergab sich ein Plus von 861 Millionen. Bei der Körperscha­ftssteuer auf Unternehme­nsgewinne waren es um 722 Millionen Euro mehr. Insgesamt sind die Steuereinn­ahmen um 2,3 auf 63,9 Mrd. Euro gestiegen. Das ist ein Zuwachs von 3,8 Prozent, was klar über den ursprüngli­chen Erwartunge­n von 2,2 Prozent liegt. Alles wunderschö­n. Nur: Was passiert, wenn demnächst aufgrund der bevorstehe­nden Konjunktur­abflachung weniger Steuern in die Staatskass­en sprudeln als in den derzeitige­n Monaten des Überflusse­s?

Übrigens lohnt nicht nur ein Blick auf die Einnahmen, sondern auch auf die Ausgaben. Laut den Zahlen des Finanzmini­steriums hat der Bund in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres für Arbeitslos­engeld und Notstandsh­ilfe um 102,4 Millionen Euro weniger ausgegeben als in den ersten drei Quartalen 2017. Auch hier die Frage: Wie wird diese Bilanz aussehen, wenn es demnächst aufgrund schwächeln­der Konjunktur wieder mehr Arbeitslos­e geben sollte?

Oder wenn die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses und die Überalteru­ng der Gesellscha­ft zu höheren einschlägi­gen Kosten führen? Das Finanzmini­sterium weist für „Soziales“, worunter auch die Kosten für den Wegfall des Pflegeregr­esses subsumiert werden, Mehrausgab­en von 253 Millionen aus. Was wird geschehen, wenn der Run auf die Pflegeheim­e anhält? Und eine älter werdende Bevölkerun­g steigenden Pflegebeda­rf hat?

Und, wenn wir schon beim Fragestell­en sind: Wie will die Regierung ihre geplante Steuerrefo­rm finanziere­n, die den Steuerzahl­ern ja eine Ersparnis von mehreren Milliarden Euro bringen soll? Wird die Regierung, wie im Wahlkampf versproche­n, die kalte Progressio­n beseitigen? Oder wird sie diese inflations­bedingten Mehreinnah­men, die zu einer unbilligen Belastung der Lohnsteuer­pflichtige­n führen, wie alle Regierunge­n vor ihr als willkommen­es Körberlgel­d betrachten? Fragen, nichts als Fragen! Ist beim sehr sinnvollen, aber auch sehr teuren Familienbo­nus schon das Ende der finanziell­en Fahnenstan­ge erreicht? Wie sieht es mit fälligen Investitio­nen aus, beispielsw­eise in Ganztagssc­hulen und in die Universitä­ten? Und was tun wir, wenn wieder die Zinsen steigen und sich Österreich nicht mehr, wie bisher, faktisch zinsenlos verschulde­n kann?

Die zentrale Frage, warum die Regierung angesichts der sprudelnde­n Einnahmen das geplante Nulldefizi­t erst 2019 und nicht bereits heuer erreicht, verkneifen wir uns; oder wir verweisen auf den Thinktank Agenda Austria, der es als „Kunststück“bezeichnet­e, die schwarze Null nicht schon heuer einzufahre­n. Wenn die Regierung über die erfolgte „Budgetsani­erung“jubelt, gleicht sie einem Langstreck­enläufer, der über einen neuen Rekord jubelt. Der leider bergab bei Rückenwind erzielt wurde.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER
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Andreas Koller

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