Salzburger Nachrichten

May gerät von allen Seiten unter Druck

Schwere Zeiten für die britische Premiermin­isterin: Sowohl die EU als auch Parteigeno­ssen und Verbündete lehnen ihre Brexit-Pläne ab. Aber Kommission­spräsident Juncker sieht langsam Fortschrit­te.

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Die britische Premiermin­isterin Theresa May gerät mit ihren Brexit-Plänen von allen Seiten unter Druck. Europaskep­tische Abgeordnet­e ihrer eigenen Konservati­ven Partei warnten May am Wochenende vor einer Vereinbaru­ng mit der Europäisch­en Union in der Frage der Grenze zwischen Nordirland und Irland, die eine Einheit Großbritan­niens gefährde.

Die „Sunday Times“berichtete, dass vier Brexit-kritische Minister einen Rückzug aus dem Kabinett erwägen. Zudem schrieb das Blatt unter Berufung auf britische Kreise, die EU habe Mays Plan für die Nordirland-Frage zurückgewi­esen. Am Freitag hatte schon die mit May verbündete nordirisch­e Partei DUP vor einer Spaltung des Königreich­s gewarnt. Von der opposition­ellen Labour-Partei darf die Premiermin­isterin bei einer Brexit-Abstimmung im Parlament ebenfalls keine Unterstütz­ung erwarten.

Großbritan­nien will die Union Ende März 2019 verlassen und verhandelt derzeit mit der EU über die Bedingunge­n des Austritts. Knackpunkt bei den zähen Gesprächen ist bekanntlic­h der Grenzverke­hr zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland. Irland lehnt eine harte Grenze ab. Eine offene Grenze auf der irischen Insel gilt als entscheide­nd für den erfolgreic­hen Fortbestan­d des Karfreitag­sabkommens, das 1998 den Bürgerkrie­g in Nordirland beendete. Die Unterhändl­er suchen deshalb nach einer Notlösung, die automatisc­h in Kraft treten soll, falls es bei dem Thema keine grundsätzl­iche Einigung gibt. Die Regierung in London will eine solche Notlösung befristen, was die EU ablehnt. EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker sagte im französisc­hen Rundfunk, die Verhandlun­gen seien zäh, aber es gebe langsam Fortschrit­te.

„Wenn die Regierung den historisch­en Fehler macht, lieber die EU zu besänftige­n, als ein unabhängig­es und einheitlic­hes Großbritan­nien zu schaffen, müssen wir gegen den Deal stimmen“, sagte der konservati­ve Abgeordnet­e Steve Baker, einer der führenden EU-Skeptiker, der Zeitung „Sunday Telegraph“. Die „Sunday Times“zitierte einen Minister mit den Worten, jetzt sei der Zeitpunkt, an dem May der EU klarmachen müsse, dass die Gemeinscha­ft Kompromiss­e eingehen müsse oder aber Großbritan­nien die EU ohne einen Austrittsv­ertrag verlasse.

Die Abstimmung im britischen Parlament könnte noch heuer stattfinde­n, wenn es eine Einigung mit der EU gibt. Ohne eine Vereinbaru­ng mit der EU droht ein ungeregelt­er Brexit, der den Handel zwischen Europa und Großbritan­nien beeinträch­tigen könnte.

Unterdesse­n haben britische Kabinettsm­itglieder einem Bericht der Zeitung „The Sun“zufolge May einen Plan B für den Fall eines ungeregelt­en Brexit vorgeschla­gen. Die Minister regen an, dass Großbritan­nien bis 2021 EU-Mitgliedsb­eiträge zahlen und die Regeln des Blocks befolgen könnte, um schwere Folgen eines harten Brexit abzuwenden. Großbritan­nien könnte dann zwei Jahre lang mit Brüssel als „Drittland“verhandeln, was es einfacher mache, sich auf ein neues Freihandel­sabkommen zu einigen und zu vermeiden, dass die volle Scheidungs­rechnung von 38 Milliarden Pfund fällig werde.

Minister schlagen einen Plan B vor

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