Wasser Wenn das fehlt
Niedrigwasser macht die Güterschifffahrt auf der Donau seit über vier Monaten unrentabel. Die riesigen Barken können nicht einmal zur Hälfte beladen werden. Nicht nur die Treibstoffversorgung steht damit auf der Kippe.
WIEN. In Deutschland hat die Regierung die Reißleine bereits gezogen und die nationalen Ölreserven freigegeben. Dass im Rhein kaum noch Wasser ist, bringt den Mineralöltransport per Schiff ins Stocken. An manchen deutschen Tankstellen ist Sprit zeitweise schon ausgegangen.
„Unsere Tankstellen sind noch versorgt, es ist aber äußerst knapp“, betonen österreichische Ölhändler. Grund ist nicht nur, dass Österreich viel Treibstoff aus Deutschland importiert. Auch der Donau fehlt Wasser. „Ein wirtschaftlicher Gütertransport auf der Donau ist aktuell kaum möglich“, sagt Christoph Caspar, Sprecher von viadonau, jenem Unternehmen, das für das Verkehrsministerium Österreichs Wasserstraßen managt.
„Für Schifffahrtsunternehmen sind die Folgen katastrophal“, sagt Norbert Baumann, Geschäftsführer von danu Transport, das vor allem Mineralölprodukte zwischen Linz und Budapest verschifft. Die großen Barken könne man derzeit nur zu 50 Prozent oder weniger beladen, erklärt Baumann. Das sei nicht ungewöhnlich. „Dass wir diese Situation aber seit viereinhalb Mona- ten haben, gab es, seit ich Tankschifffahrten mache, noch nie.“Und das ist bereits seit 1982. Problematisch bei so lang anhaltenden Transportproblemen sei, dass sich Kunden generell andere Transportwege suchen könnten. Kurzfristig ist das kaum möglich. 1100 Tonnen passen auf ein Transportschiff.
Dafür rasch genug Ersatz zu finden, etwa auf der Schiene, das ist wohl nicht zu machen. Nicht nur die Kosten machen den Transport per Schiff für viele Güter interessant, neben Diesel sind das auch Erze und Agrargüter wie Futtermittel, Getreide, Mais. „Es ist einfacher, ein Schiff zu befüllen als 20 Eisenbahnwaggons“, sagt Baumann. 550.000 Tonnen Mineralölprodukte transportiert allein danu Transport in einem Jahr. Einen Niedrigwasser-Zuschlag könne er seinen Kunden zwar verrechnen, die hohen Kosten durch die niedrigere Transportmenge decke das aber bei Weitem nicht. Insgesamt wurden im Vorjahr 9,6 Millionen Tonnen Güter auf dem österreichischen Donauabschnitt befördert, geht aus Daten von viadonau hervor. Die weitaus größte Menge entfällt mit über 25 Prozent auf Erze und Metallabfälle, gefolgt von Agrarprodukten, Mineralölprodukten sowie Düngemittel.
Massiv betroffen ist auch der Stahl- und Technologiekonzern voestalpine, dessen Werkshafen in Linz der größte Hafen an der Donau ist. Gut zwei Drittel des jährlichen Transportaufkommens von rund 19 Millionen Tonnen werden per Schiff abgewickelt, wie Konzernsprecher Peter Felsbach sagt. 13 Mill. Tonnen entfallen auf angelieferte Rohstoffe wie Erze. Saisonale Schwankungen im Verhältnis zwischen dem Transport auf dem Wasser und auf der Schiene sind Routine, im Winter ist die Nutzung von Donau und Rhein üblicherweise eine Zeit lang eingeschränkt. Doch hier gehe es um eine neue Dimension, sagt Felsbach. „Normalerweise ist es eine Sache weniger Wochen, jetzt geht es um Monate.“
Seit September hat sich die Befahrbarkeit der Donau sukzessive immer mehr eingeschränkt, aktuell finde praktisch gar kein Schiffsverkehr mehr statt. Eine Situation, an die man sich so bei der voestalpine nicht erinnern kann. Um auf übliches Niveau zu kommen, „müsste es drei Wochen ordentlich regnen“.
Die Liefersicherheit an die Kunden sei nicht beeinträchtigt, aber es entstehen Mehrkosten. Bisher habe man den Mehraufwand bewältigen können, heißt es bei der voestalpine. Man sei gewohnt, flexibel mit dem Thema umzugehen. Die voestalpine ist nicht nur ein weltweit führender Anbieter von Schienen und Weichensystemen, sondern betreibt mit der CargoServ auch ein eigenes Eisenbahnunternehmen.
Jetzt stößt man an Kapazitätsgrenzen. Im ersten Geschäftshalbjahr (bis 30. 9.) habe sich das Niedrigwasser noch nicht nachteilig ausgewirkt. Befürchtete Folgekosten seien aber in die Gewinnwarnung von Ende Oktober eingeflossen. Das Ausmaß des erwarteten Schadens sei nicht zu beziffern, aber „es spitzt sich zu einer absoluten Sondersituation zu“, hieß es. Zudem gebe es schon länger Bedarf nach einem Ausbau der europäischen Wasserstraßen. Bei Verbindungen nach Norden und Süden gebe es erhebliche Engpässe, es komme immer wieder zu Versandungen.
Auch die heimische Mineralölbranche ist bereits zu einer Krisensitzung zusammengetroffen. Vorerst ist man um Beruhigung bemüht: Neben dem Niedrigwasser führten auch die hohe Nachfrage dank der guten Wirtschaftslage sowie der Ausfall einer großen Raffinerie in Bayern und Transportprobleme bei der Bahn zu einer Verknappung am Treibstoffmarkt, erklärt Christoph Capek vom Fachverband der Mineralölindustrie. Rohölimporte seien nicht betroffen, sie kommen über eine Pipeline nach Schwechat, insgesamt 7,5 Millionen Tonnen im Jahr. Daneben gebe es aber 6,5 Mill. Tonnen Produktimporte, vor allem Diesel, aber auch Benzin und Heizöl, sagt Capek. 70 Prozent kommen aus Deutschland. „Dennoch sind die Probleme dort mit unseren nicht vergleichbar.“
„Von einem ernsten Versorgungsengpass sind wir kilometerweit entfernt“, betont auch Daniel Kosak, Sprecher der für Energie zuständigen Ministerin Elisabeth Köstinger. Das Öffnen der nationalen Reserven – neben je etwa einer Million Tonnen Rohöl und Diesel/Heizöl sind das 280.000 Tonnen Benzin – sei damit vorerst noch kein Thema. „Wir prüfen das aber von Tag zu Tag neu“, sagt Kosak. Die notwendige Verordnung der Ministerin habe man bereits vorbereitet.
„Es spitzt sich zu einer Sondersituation zu“