Strache fürchtet 65 Millionen Migranten
Der Vizekanzler verweist auf eine Fußnote in einer EU-Asylstudie und sorgt für Aufsehen.
Auf der privaten FacebookSeite von Vizekanzler HeinzChristian Strache (FPÖ) gehen derzeit die Wogen hoch. Grund dafür ist ein Artikel der rechten und FPÖ-nahen Internetsite wochenblick.at, den Strache geteilt hat. In dem Onlinebeitrag geht es um eine angeblich vertuschte Studie, die von der EUKommission in Auftrag gegeben wurde. Sie behandelt mögliche Szenarien für die Aufteilung von Flüchtlingen in der EU. Ergebnis der Studie, so der Onlinebeitrag, soll sein, dass Österreich Potenzial „für mehr als 65 Millionen Migranten habe“. Der Vizekanzler fügt hinzu: „Ohne Worte! Die bisher verschwiegene Studie von Asyllobbyisten schockiert: Für die EU wurde berechnet, dass Österreich 75 Millionen und Deutschland sogar mehr als 274 Millionen (!) Menschen möglicherweise beherbergen könnten.“
Platz für 75 Millionen Menschen in Österreich? Und damit Platz für über 65 Millionen Migranten? Und das alles vertuscht? Kann das stimmen? Zeit für einen Faktencheck.
Zunächst ist die Studie, die von zwei Beratungsunternehmen durchgeführt wurde, nicht geheim, sondern im Internet zu finden. Sie stammt aus dem Jahr 2010 und soll laut Einführungstext die EU-Kommission über die finanziellen, politischen und gesetzlichen Auswirkungen einer Verteilung von Flüchtlingen informieren.
Die Zahl 75 Millionen findet sich in Bezug auf Österreich tatsächlich in dem Papier. Und zwar in einer Zusatztabelle. Es handelt sich um eine Hochrechnung, wie viele Menschen in Österreich Platz hätten, wenn knapp 1000 Menschen pro Quadratkilometer unterkämen. Dann kämen rund 75 Millionen Menschen in Österreich unter. Allerdings nur wenn man die topografischen Gegebenheiten nicht berücksichtigt, also etwa alle Berge, Flüsse und Seen verschwinden würden. In der Studie wird die Annahme bald verworfen.
Auch im Innenministerium hält man das Szenario für unrealistisch: Es gebe keinerlei Vorbereitungen auf ein „derart realitätsfremdes Szenario“, heißt es auf SN-Anfrage. Die Zahl stelle „eine rein fiktive Schätzung ohne seriöse Aussagekraft dar“. Ein Sprecher der EU-Kommission beruhigt ebenfalls: „Wie viele Menschen in Österreich Platz haben, sollte die Studie nie herausfinden. Die Zahl stammt aus einer Tabelle, mit der verschiedene Szenarien ausgerechnet wurden.“Es handle sich um Rechenbeispiele.