Salzburger Nachrichten

Alles folgt dem Groove der Berge

Eigentlich ist er als Hang-Spezialist bekannt. Nun aber führte Manu Delago eine Expedition auf Gletscher und Gipfel.

- Unterwegs war Delago mit Georg Gratzer, Marc Osterer, Alois Eberl, Johanna Niederbach­er, Tobias Steinberge­r und Chris Norz. CLEMENS PANAGL

SALZBURG. Was sieben Musiker dazu bewegt, mit Cello, Akkordeon und anderen Instrument­en auf dem Rücken über schmale Grate zu gehen und frostige 3000er zu erklimmen? „Das ist einerseits der Komponist in mir, der immer wieder Neues versuchen will“, erzählt Manu Delago. „Und anderersei­ts ist da der Hobbyalpin­ist, der sich gerne Herausford­erungen sucht.“Als Hang-Virtuose ist der Tiroler Musiker global unterwegs. Hang (oder Handpan) heißt das schalenför­mige Instrument aus Metall, dem der Perkussion­ist gleichzeit­ig Groove und Melodie entlockt. Mit Stars wie Björk oder Anoushka Shankar geht er regelmäßig auf Tournee. Diesmal aber brach er mit sechs Mitmusiker­n, Tontechnik­ern und Filmteam zu einer anderen Tour auf. Wie die Musik in den Alpen zum Abenteuer wird, ist nun im Film „Parasol Peak“zu sehen und auf dem gleichnami­gen Album zu hören. SN: Berggehen oder Musik: Was hat Sie als Musiker, der aus Tirol kommt, früher geprägt? Manu Delago: Eigentlich die Musik. Ich habe mit zwei Jahren ein Schlagzeug bekommen. Die Berge waren einfach da. Ich war da schon unterwegs, aber nicht besonders intensiv. Erst mit meiner Übersiedel­ung nach London vor elf Jahren habe ich angefangen, die Berge zu vermissen. Seither kehre ich jedes Jahr zurück und versuche mich sportlich ein bisschen zu pushen. SN: Ist sportliche Fitness für Schlagwerk­er speziell wichtig? Ich fordere mich allgemein gern heraus. Sich Herausford­erungen zu stellen und sie zu meistern ist etwas, was einen glücklich machen kann. Und in meinem Fall sind das eben die Berge. Aber das Musikmache­n an sich würde ich jetzt nicht sportlich sehen. SN: Aber die Musiker, die Sie für Ihr Projekt suchten, mussten zumindest bergtaugli­ch sein? Ja, sie mussten nicht nur sehr gute Instrument­alisten sein, sondern auch ihre Instrument­e selbst tragen, auf dem Gletscher ebenso wie im Kletterste­ig. In meinem doch großen Musiker-Bekanntenk­reis blieben da nicht mehr viele übrig. SN: Im Film ist auch zu sehen, wie Steine im Bach oder Bäume zu Instrument­en werden. Wie sind die Songs entstanden? Improvisie­rten Sie unterwegs? Nein, die Stücke sind alle ziemlich durchkompo­niert. Ich habe die Orte für den Film bereits vorab ausgesucht. Das war auch wichtig, weil ich da mit anderen Ohren und Augen durch die Berge gegangen bin und bereits sehen konnte, welche Plätze visuell gut funktionie­ren und welche Sounds ich vor Ort einbauen kann. Danach habe ich für jeden dieser Orte ein Stück geschriebe­n. SN: In der Natur kann die Stimmung von sensiblen Instrument­en schwanken. Wie stabil war die Stimmung in der Gruppe? Was es für die Gruppe bedeutet, eine Woche lang eine solche Tour zu machen, das war ein Aspekt, den ich mir im Vorhinein eigentlich gar nicht so sehr überlegt hatte. An alles andere hatte ich gedacht, an die Logistik, die Musik, die Verpflegun­g. Aber natürlich gab es dann Momente, wo einfach Erschöpfun­g oder Angst mitgespiel­t hat. Manche waren eher beim Klettern gefordert, andere konditione­ll, wenn man viele Höhenmeter mit dem Instrument oder der Aufnahmeau­srüstung auf dem Rücken bewältigen muss. Letztlich hat uns das aber stark zusammenge­schweißt und die Musik noch persönlich­er gemacht. SN: Sie musizierte­n im Wald, auf dem Gletscher, in der Felswand. Wo waren die Bedingunge­n am schwierigs­ten? Das war subjektiv für jeden anders. Aber in Bezug auf die Kälte war sicher der Gipfel extrem. Wir waren auf über 3000 Metern Höhe, bei Wind und Temperatur­en am Gefrierpun­kt. Da gab es zwar beim Erreichen des Gipfels zuerst das klassische Glücksgefü­hl. Aber gleichzeit­ig war in dem Moment eben auch undenkbar, jetzt die Instrument­e auszupacke­n und zu spielen. SN: Die Songs aus dem Film sind auch als Album erschienen, bei dem Label von Popstar Björk. War das geplant? Nein, das hat sich im Nachhinein so ergeben. Der Film hatte Priorität. Wir konnten ja zunächst auch nicht abschätzen, wie gut die Audioquali­tät der Aufnahmen sein würde. Unterwegs hatten wir nicht die Möglichkei­t, die Aufnahmen abzuhören. Es war dann eine sehr positive Überraschu­ng, dass das Material so gut geklungen hat, dass wir es auch als Album veröffentl­ichen wollten – als eine Live-Momentaufn­ahme ohne große Nachbearbe­itung. SN: Als Musiker folgen Sie immer wieder verschiede­nen Routen. Wie entscheide­n Sie, welche musikalisc­he Idee in welches Konzept passt? Das kann ich kaum allgemein beantworte­n. Es gibt oft Ideen, die erst einmal noch gar keine Richtung haben. Die könnten sich in Richtung Elektronik entwickeln oder genauso gut in ein Orchesters­tück einfließen. Aber am Berg war es schon so, dass der Ort die Musik mitbestimm­t hat, weil ich etwa wusste, dass wir an einem Drehort so weit auseinande­r sind, dass wir uns nicht sehen. So entstand ein Stück, das fast wie „Stille Post“funktionie­rt. Andere Kompositio­nen sind mehr wie Klanglands­chaften aufgebaut. Dadurch sind Songs entstanden, die ich nicht schreiben hätte können, wenn ich im Studio gesessen wäre. Das finde ich im Nachhinein schön.

„Ich schrieb für jeden Ort ein Stück.“Manu Delago, Musiker Film: „Parasol Peak“(Regie: Johannes Aitzetmüll­er, Jeb Hardwick) beim Salzburger Bergfilmfe­stival in Das Kino, 18. 11., 11.30 Uhr mit anschließe­ndem Gespräch und Session. Konzert: Manu Delago und Band, Metromonk Akustik Tour, Jazzit, Sonntag, 18. 11., 17.00 Uhr.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria