Alles folgt dem Groove der Berge
Eigentlich ist er als Hang-Spezialist bekannt. Nun aber führte Manu Delago eine Expedition auf Gletscher und Gipfel.
SALZBURG. Was sieben Musiker dazu bewegt, mit Cello, Akkordeon und anderen Instrumenten auf dem Rücken über schmale Grate zu gehen und frostige 3000er zu erklimmen? „Das ist einerseits der Komponist in mir, der immer wieder Neues versuchen will“, erzählt Manu Delago. „Und andererseits ist da der Hobbyalpinist, der sich gerne Herausforderungen sucht.“Als Hang-Virtuose ist der Tiroler Musiker global unterwegs. Hang (oder Handpan) heißt das schalenförmige Instrument aus Metall, dem der Perkussionist gleichzeitig Groove und Melodie entlockt. Mit Stars wie Björk oder Anoushka Shankar geht er regelmäßig auf Tournee. Diesmal aber brach er mit sechs Mitmusikern, Tontechnikern und Filmteam zu einer anderen Tour auf. Wie die Musik in den Alpen zum Abenteuer wird, ist nun im Film „Parasol Peak“zu sehen und auf dem gleichnamigen Album zu hören. SN: Berggehen oder Musik: Was hat Sie als Musiker, der aus Tirol kommt, früher geprägt? Manu Delago: Eigentlich die Musik. Ich habe mit zwei Jahren ein Schlagzeug bekommen. Die Berge waren einfach da. Ich war da schon unterwegs, aber nicht besonders intensiv. Erst mit meiner Übersiedelung nach London vor elf Jahren habe ich angefangen, die Berge zu vermissen. Seither kehre ich jedes Jahr zurück und versuche mich sportlich ein bisschen zu pushen. SN: Ist sportliche Fitness für Schlagwerker speziell wichtig? Ich fordere mich allgemein gern heraus. Sich Herausforderungen zu stellen und sie zu meistern ist etwas, was einen glücklich machen kann. Und in meinem Fall sind das eben die Berge. Aber das Musikmachen an sich würde ich jetzt nicht sportlich sehen. SN: Aber die Musiker, die Sie für Ihr Projekt suchten, mussten zumindest bergtauglich sein? Ja, sie mussten nicht nur sehr gute Instrumentalisten sein, sondern auch ihre Instrumente selbst tragen, auf dem Gletscher ebenso wie im Klettersteig. In meinem doch großen Musiker-Bekanntenkreis blieben da nicht mehr viele übrig. SN: Im Film ist auch zu sehen, wie Steine im Bach oder Bäume zu Instrumenten werden. Wie sind die Songs entstanden? Improvisierten Sie unterwegs? Nein, die Stücke sind alle ziemlich durchkomponiert. Ich habe die Orte für den Film bereits vorab ausgesucht. Das war auch wichtig, weil ich da mit anderen Ohren und Augen durch die Berge gegangen bin und bereits sehen konnte, welche Plätze visuell gut funktionieren und welche Sounds ich vor Ort einbauen kann. Danach habe ich für jeden dieser Orte ein Stück geschrieben. SN: In der Natur kann die Stimmung von sensiblen Instrumenten schwanken. Wie stabil war die Stimmung in der Gruppe? Was es für die Gruppe bedeutet, eine Woche lang eine solche Tour zu machen, das war ein Aspekt, den ich mir im Vorhinein eigentlich gar nicht so sehr überlegt hatte. An alles andere hatte ich gedacht, an die Logistik, die Musik, die Verpflegung. Aber natürlich gab es dann Momente, wo einfach Erschöpfung oder Angst mitgespielt hat. Manche waren eher beim Klettern gefordert, andere konditionell, wenn man viele Höhenmeter mit dem Instrument oder der Aufnahmeausrüstung auf dem Rücken bewältigen muss. Letztlich hat uns das aber stark zusammengeschweißt und die Musik noch persönlicher gemacht. SN: Sie musizierten im Wald, auf dem Gletscher, in der Felswand. Wo waren die Bedingungen am schwierigsten? Das war subjektiv für jeden anders. Aber in Bezug auf die Kälte war sicher der Gipfel extrem. Wir waren auf über 3000 Metern Höhe, bei Wind und Temperaturen am Gefrierpunkt. Da gab es zwar beim Erreichen des Gipfels zuerst das klassische Glücksgefühl. Aber gleichzeitig war in dem Moment eben auch undenkbar, jetzt die Instrumente auszupacken und zu spielen. SN: Die Songs aus dem Film sind auch als Album erschienen, bei dem Label von Popstar Björk. War das geplant? Nein, das hat sich im Nachhinein so ergeben. Der Film hatte Priorität. Wir konnten ja zunächst auch nicht abschätzen, wie gut die Audioqualität der Aufnahmen sein würde. Unterwegs hatten wir nicht die Möglichkeit, die Aufnahmen abzuhören. Es war dann eine sehr positive Überraschung, dass das Material so gut geklungen hat, dass wir es auch als Album veröffentlichen wollten – als eine Live-Momentaufnahme ohne große Nachbearbeitung. SN: Als Musiker folgen Sie immer wieder verschiedenen Routen. Wie entscheiden Sie, welche musikalische Idee in welches Konzept passt? Das kann ich kaum allgemein beantworten. Es gibt oft Ideen, die erst einmal noch gar keine Richtung haben. Die könnten sich in Richtung Elektronik entwickeln oder genauso gut in ein Orchesterstück einfließen. Aber am Berg war es schon so, dass der Ort die Musik mitbestimmt hat, weil ich etwa wusste, dass wir an einem Drehort so weit auseinander sind, dass wir uns nicht sehen. So entstand ein Stück, das fast wie „Stille Post“funktioniert. Andere Kompositionen sind mehr wie Klanglandschaften aufgebaut. Dadurch sind Songs entstanden, die ich nicht schreiben hätte können, wenn ich im Studio gesessen wäre. Das finde ich im Nachhinein schön.
„Ich schrieb für jeden Ort ein Stück.“Manu Delago, Musiker Film: „Parasol Peak“(Regie: Johannes Aitzetmüller, Jeb Hardwick) beim Salzburger Bergfilmfestival in Das Kino, 18. 11., 11.30 Uhr mit anschließendem Gespräch und Session. Konzert: Manu Delago und Band, Metromonk Akustik Tour, Jazzit, Sonntag, 18. 11., 17.00 Uhr.