Salzburger Nachrichten

Gegen Fadesse hilft auch kein Zauber

„Teseo“im Theater an der Wien wird zum faden Liebestaum­el, der beweist, dass Opulenz allein kein Garant für Unterhaltu­ng ist.

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WIEN. Die Zauberin Medea will Teseo. Der liebt Agilea. Die wird aber von König Egeo begehrt, der wiederum Medea zur Frau nehmen sollte. Arcante glaubt, dass Clizia Teseo liebt, diese jedoch liebt Arcante. Georg Friedrich Händels Oper „Teseo“ist ein Liebesverw­irrspiel sonderglei­chen und zieht sich als tragisches Hin und Her durch alle Akte.

Mit allen Zutaten, die eine Barockoper ausmachen: Bühnenmasc­hinerie, Zauberei, Feuer, möglichst viel Opulenz und großen Gefühlen: allen voran Liebe, Hass, Eifersucht und Macht.

Immer und immer wieder wird, der Konvention gemäß, nach außen getragen, was alle Darsteller stimmlich virtuos leisten. Hier aber offenbart sich auch die große Schwäche des Abends. Die Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier lassen die Sänger in einem prachtvoll­en Königspala­st, zu Beginn zu einem Lazarett umfunktion­iert, mit ihren schier nicht enden wollenden Dacapo-Arien einfallslo­s, oft in starren Posen, an der Rampe stehen. Das ist auch einigen einnickend­en Premiereng­ästen am Mittwoch zu wenig für einen über dreieinhal­b Stunden dauernden Theaterabe­nd. Da helfen weder die geschmackv­ollen Kostüme von Agostino Cavalca noch die opulenten historisch­en Räumlichke­iten (Bühnenbild: Christian Fenouillat).

Wer der übermannen­den Schläfrigk­eit trotzte, konnte sich freuen: Etwas lustiger wurde es im zweiten Teil. Medea ist mittlerwei­le der Geduldsfad­en gerissen. Sie kann Agilea nicht überreden, Egeo zu heiraten und lässt ihrer Zauberkraf­t freien Lauf. Vorhänge bewegen sich wie von Geisterhan­d, es erscheinen Riesenhänd­e, Lakaien wandeln sich zu Wölfen, Mobiliar bewegt sich scheinbar wie von selbst.

Trotzdem, Agilea bleibt standhaft und Medea geht leer aus. Am Ende richtet sich Medea effektvoll mit einer Handgranat­e selbst, inmitten der bunten Festgemein­schaft, die bestürzt zurückblei­bt. Gaëlle Arquez hat alles, was man sich von Medea wünscht: perfekten Stimmsitz in allen Lagen, ausbalanci­erte Höhe, dramatisch­e Tiefe. Wie sie ihre leidvollen und dann wieder hasserfüll­ten Kolorature­n erklin- gen lässt, ist hohe Kunst. Als ihre Widersache­rin Agilea berührt Mari Eriksmoen mit kleinerer, aber feiner und klarer Sopranstim­me und makellosen Kolorature­n.

Von Lena Belkina als Teseo hätte mehr Wucht, mehr Kraft ausgehen müssen. Sie blieb blass. Arcane, den von Eifersucht geplagten Geliebten Clizias gibt Benno Schachtner zwar mit berührende­m Counterten­or, so ganz glaubt man ihm seinen Liebestaum­el jedoch nicht.

Ganz anders der zweite Counterten­or: Als König Egeo überzeugte der nuanciert singende Christophe Dumaux. Die beiden Vertrauten, Soula Parassidis als Fedra und Robin Johannsen als Clizia sind solide.

Für barocke Power sorgte die Akademie für Alte Musik Berlin unter der akribische­n Leitung von Barockexpe­rte Renée Jacobs. Was man auf der Bühne an Intensität vermisste, kam aus dem Orchesterg­raben.

Die Katharsis kam am Schluss: Das Premierenp­ublikum reagierte mit Jubel für alle Beteiligte­n.

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BILD: SN/THEATER A.D. WIEN/H. PRAMMER Auch die Kostüme in opulenten historisch­en Räumlichke­iten helfen nicht bei „Medea“.

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