Schnellboot gegen Tanker: Das Rennen ist noch nicht entschieden
Das hat der geprügelten deutschen Autoindustrie noch gefehlt: Tesla ist mehr wert als BMW.
In der Wirtschaft geht es oft zu wie auf dem Schulhof: Groß prügelt Klein, ältere Buben boxen auf ihre jüngeren Herausforderer ein (wenn die Pausenaufsicht wegschaut, sogar besonders fest). Das geht so lange, bis die alte Rangordnung wiederhergestellt ist.
Im Konkurrenzkampf zwischen Unternehmen geht es klassischerweise auch Groß gegen Klein, nur dass es heute immer öfter passiert, dass sich das alte Spiel umkehrt: Weil die Konzerne zu behäbig sind, um sich schnell bewegen zu können, steigen Kleine als Sieger aus. Wie manchmal am Schulhof: Wenn die Kleinen besonders listig und sportlich sind, gelingt es ihnen, sich aus dem Schwitzkasten eines großen Lackels zu befreien und diesem die lange Nase zu zeigen.
Das tut zurzeit mit großer Freude Elon Musk, der Egomane an der Spitze des US-amerikanischen E-Auto-Pioniers Tesla: Was wurde er nicht für seinen Medikamentenkonsum, leichtfertige Falschbehauptungen und Scherze in der Öffentlichkeit geprügelt. Und doch gelang es seinem Unternehmen zuletzt, einen um fünf Milliarden Euro höheren Börsenwert als BMW zu schaffen und in den USA zeitweise mehr Neuwagen zu verkaufen als Audi. Das ist eine echte Schmach für die deutschen Premiumhersteller, die mit dem Abgasskandal genug eigene Schwierigkeiten haben und den forschen Eindringling in die klar abgesteckten Automobilterrains lange nicht ernst genommen hatten. Tesla ist es trotz interner Schwierigkeiten und seiner hohen Verschuldung gelungen, die Produktionskapazitäten zuletzt drastisch zu erhöhen. Noch ist das Rennen nicht entschieden. Immerhin sitzen die etablierten Hersteller auf großen Innovationsbudgets, die sie in E-Antriebe, digitale Vernetzung und neue Mobilitätskonzepte investieren.
Doch es gibt zumindest zwei Gründe, warum der kleine Angreifer doch reale Chancen hat: Erstens hat er verstanden, dass man die Bedürfnisse der Nutzer von Anfang an ernst nehmen muss, und er hat massiv, sogar mit eigenen Speicherfabriken, in die Verlängerung der Reichweite seiner E-Autos investiert. Andere wie BMW taten das nicht und wunderten sich dann, warum der Zuspruch der Käufer bei den ersten E-Autos gering blieb. Zweitens hat Tesla verstanden, dass man das Autogeschäft im digitalen Zeitalter insgesamt neu denken muss: Konfiguriert und bestellt werden Model S und Model 3 nur noch online und nicht mehr wie bei den etablierten Herstellern über Handelspartner. Das spart Kosten und gibt Tesla zudem direkten Zugang zu Kundendaten. Das ist eine wichtige Investition in das Geschäft der Zukunft, bei dem es darauf ankommen wird, einen derart intimen Einblick in die Nutzergewohnheiten und -vorlieben zu haben, dass man diesen maßgeschneiderte Angebote unterbreiten kann, wie sie von A nach B kommen – vielleicht einmal sogar ohne eigenes Auto.