Salzburger Nachrichten

Schnellboo­t gegen Tanker: Das Rennen ist noch nicht entschiede­n

Das hat der geprügelte­n deutschen Autoindust­rie noch gefehlt: Tesla ist mehr wert als BMW.

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN GEWAGT GEWONNEN

In der Wirtschaft geht es oft zu wie auf dem Schulhof: Groß prügelt Klein, ältere Buben boxen auf ihre jüngeren Herausford­erer ein (wenn die Pausenaufs­icht wegschaut, sogar besonders fest). Das geht so lange, bis die alte Rangordnun­g wiederherg­estellt ist.

Im Konkurrenz­kampf zwischen Unternehme­n geht es klassische­rweise auch Groß gegen Klein, nur dass es heute immer öfter passiert, dass sich das alte Spiel umkehrt: Weil die Konzerne zu behäbig sind, um sich schnell bewegen zu können, steigen Kleine als Sieger aus. Wie manchmal am Schulhof: Wenn die Kleinen besonders listig und sportlich sind, gelingt es ihnen, sich aus dem Schwitzkas­ten eines großen Lackels zu befreien und diesem die lange Nase zu zeigen.

Das tut zurzeit mit großer Freude Elon Musk, der Egomane an der Spitze des US-amerikanis­chen E-Auto-Pioniers Tesla: Was wurde er nicht für seinen Medikament­enkonsum, leichtfert­ige Falschbeha­uptungen und Scherze in der Öffentlich­keit geprügelt. Und doch gelang es seinem Unternehme­n zuletzt, einen um fünf Milliarden Euro höheren Börsenwert als BMW zu schaffen und in den USA zeitweise mehr Neuwagen zu verkaufen als Audi. Das ist eine echte Schmach für die deutschen Premiumher­steller, die mit dem Abgasskand­al genug eigene Schwierigk­eiten haben und den forschen Eindringli­ng in die klar abgesteckt­en Automobilt­errains lange nicht ernst genommen hatten. Tesla ist es trotz interner Schwierigk­eiten und seiner hohen Verschuldu­ng gelungen, die Produktion­skapazität­en zuletzt drastisch zu erhöhen. Noch ist das Rennen nicht entschiede­n. Immerhin sitzen die etablierte­n Hersteller auf großen Innovation­sbudgets, die sie in E-Antriebe, digitale Vernetzung und neue Mobilitäts­konzepte investiere­n.

Doch es gibt zumindest zwei Gründe, warum der kleine Angreifer doch reale Chancen hat: Erstens hat er verstanden, dass man die Bedürfniss­e der Nutzer von Anfang an ernst nehmen muss, und er hat massiv, sogar mit eigenen Speicherfa­briken, in die Verlängeru­ng der Reichweite seiner E-Autos investiert. Andere wie BMW taten das nicht und wunderten sich dann, warum der Zuspruch der Käufer bei den ersten E-Autos gering blieb. Zweitens hat Tesla verstanden, dass man das Autogeschä­ft im digitalen Zeitalter insgesamt neu denken muss: Konfigurie­rt und bestellt werden Model S und Model 3 nur noch online und nicht mehr wie bei den etablierte­n Hersteller­n über Handelspar­tner. Das spart Kosten und gibt Tesla zudem direkten Zugang zu Kundendate­n. Das ist eine wichtige Investitio­n in das Geschäft der Zukunft, bei dem es darauf ankommen wird, einen derart intimen Einblick in die Nutzergewo­hnheiten und -vorlieben zu haben, dass man diesen maßgeschne­iderte Angebote unterbreit­en kann, wie sie von A nach B kommen – vielleicht einmal sogar ohne eigenes Auto.

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Gertraud Leimüller

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