Salzburger Nachrichten

Mann soll Jausenbrot­e vergiftet haben

Opfer waren mehrere Arbeitskol­legen des 57-Jährigen. Die Folgen waren fatal: Ein Mann liegt seit Jahren im Wachkoma.

- SN-ham, dpa

Er trägt Jeans und einen blauen unauffälli­gen Pulli. Das Gesicht versteckt er hinter einem Aktenordne­r. So erschien ein 57-jähriger Deutscher am Donnerstag vor dem Gericht in Bielefeld. Vorgeworfe­n werden ihm versuchter Mord sowie schwere und gefährlich­e Körperverl­etzung. Denn er soll die Jausenbrot­e seiner Kollegen vergiftet haben. Der Personalch­ef seines ehemaligen Arbeitgebe­rs hatte ihn kurz nach seiner Festnahme als „auffällig unauffälli­g“beschriebe­n.

Jetzt, mit 57 Jahren, wirft ihm die Anklage Taten vor, die in den vergangene­n sechs Monaten in die Schlagzeil­en gerieten. Der Mann soll das Vertrauens­verhältnis zu seinen Kollegen heimtückis­ch ausgenutzt und mehrere Menschen vergiftet haben. Sein Motiv ist rätselhaft. Die Anklage vermutet, dass der Mann beobachten wollte, wie sich der Gesundheit­szustand seiner Kollegen langsam verschlech­terte. „Er hat den Tod der Kollegen zumindest billigend in Kauf genommen“, heißt es in der Anklage.

Zu den Vorwürfen hat sich der mutmaßlich­e Täter bisher nicht geäußert. Vor dem Prozessauf­takt ließen seine Verteidige­r offen, ob sich das ändert. Mit ihrem Mandanten wollen sie in dem Verfahren mit komplexen Gutachtera­ussagen zunächst abwarten.

Der Anklagever­lesung folgt der 57-Jährige äußerlich ungerührt. Zum Prozessauf­takt schildert der Staatsanwa­lt, wie der Angeklagte von 2015 bis 2018 immer wieder Pulver auf die Brote seiner Kollegen gestreut haben soll – darunter Bleiacetat und Quecksilbe­r. Die Folgen waren fatal: Kollegen wurden schwer krank. Eines der Opfer liegt seit Jahren mit schweren Hirnschäde­n im Wachkoma, andere haben schwere Nierenschä­den erlitten.

Entdeckt wurden die Vergiftung­en, als der jetzige Nebenkläge­r eines Tages vermeintli­chen Schmutz auf seinen Broten bemerkte. Am nächsten Tag machte der Nebenkläge­r einen Test. Er achtete darauf, saubere Brote einzupacke­n. Als die Brote dann in der Pause erneut verschmutz­t waren, schaltete er die Polizei und die Firmenleit­ung ein. Eine in Absprache mit dem Betriebsra­t heimlich installier­te Videokamer­a überführte den Angeklagte­n. An einen Mordversuc­h dachte anfangs niemand. Erst die Analyse der „Schmutzpar­tikel“brachte die Gewissheit: Es waren hochgiftig­e Substanzen. Experten des Landeskrim­inalamts ermittelte­n Bleiacetat, Cadmium, Blei und Quecksilbe­r.

Vergiftung­sfälle in Firmen kommen immer wieder vor: So stand im Jahr 2016 in Deutschlan­d eine Frau vor Gericht, die ihren Arbeitskol­legen ein starkes Beruhigung­smittel in den Kaffee gemischt haben soll. Sie wurde zu 14 Monaten bedingter Haft verurteilt. Das Motiv blieb auch im Prozess unklar.

Ungeklärt ist indessen der Todesfall eines Angestellt­en in einer Chemiefabr­ik im Jahr 2006. Er starb, nachdem er mit Blausäure vergiftete Limonade getrunken hatte.

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