Salzburger Nachrichten

Luft Der letzte Kommandant der

Das Kommando Luftstreit­kräfte in Salzburg wird aufgelöst. Was das für die Bedienstet­en bedeutet, warum Beschaffun­gen von Flugzeugen so lang dauern und wo die österreich­ische Militärfli­egerei spitze ist.

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WIEN. Der Kommandant der Luftstreit­kräfte wird mit der geplanten Heeresrefo­rm abgeschaff­t. Die SN sprachen mit dem letzten Träger dieses Titels, Karl Gruber. SN: Herr Generalmaj­or, Sie gehen schon mit 62 Jahren in Pension. Warum? Karl Gruber: Ich bin in dem Alterskorr­idor, in dem man entscheide­n kann, wann man in Pension geht. Da die neue Struktur der operativen Führung des Bundesheer­es ab 2019 kein Kommando Luftstreit­kräfte mehr vorsieht, war es für mich Zeit, in den Ruhestand zu treten. SN: Gehen Sie aus Protest gegen diese Strukturän­derung, bei der die Luftstreit­kräfte und der Standort Salzburg ja nicht gut wegkommen? Nein, das ist kein Protest. Aber der Neuaufbau der künftigen Strukturen erfordert mehr Zeit, als ich auch dann hätte, wenn ich bis 65 bliebe. SN: Finden Sie es richtig, dass es ab kommendem Jahr kein eigenes Kommando Luftstreit­kräfte mehr geben wird? Aus meiner Sicht ist das die zweitbeste Lösung. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass ein Kommando Luftstreit­kräfte günstige Voraussetz­ungen bietet, um die Anliegen der Fliegerei an den Bundesmini­ster, den Generalsta­b, die Politik und die Medien heranzutra­gen. Das wird in der neuen Struktur (in dem die Fliegerei dem Streitkräf­tekommanda­nten untersteht, Anm.) schwierige­r. SN: Das Streitkräf­tekommando wird in Graz und Salzburg sitzen. Man hört aber, dass in Salzburg etliche Dienstpost­en verloren gehen werden. Wie ist da der aktuelle Stand? Die neue Organisati­on soll bis Weihnachte­n fixiert werden. Dann wird man wissen, wie die Verteilung der Dienstpost­en zwischen Graz und Salzburg genau aussieht und welche Laufbahnmö­glichkeite­n die Bedienstet­en am Standort Salzburg in Zukunft haben werden. SN: Das heißt, da gibt es derzeit große Unsicherhe­iten. Wie lang warten die Bedienstet­en schon auf diese Entscheidu­ng? Schon über zwei Jahre. Das ist für das Personal klarerweis­e eine schwierige und lange Phase der Unsicherhe­it, von der alle in Salzburg hoffen, dass sie bald vorbei ist. SN: Wir haben vor etwa zehn Jahren ein Interview geführt, in dem es um die Nachfolge für die Jet-Trainingsm­aschinen Saab 105 ging. Diese Frage ist nach wie vor offen. Warum? Sie wissen, die Frage des Jettrainer­s hängt eng mit der Frage der Eurofighte­r zusammen. Eine Sonderkomm­ission, die ich im Vorjahr leiten durfte, hat kurz gesagt zwei Alternativ­en vorgeschla­gen: Entweder der Eurofighte­r wird mit den notwendige­n Investitio­nen und Nachrüstun­gen weiterbetr­ieben. Oder man kauft bzw. least ein neues Modell. Beim Umstieg auf einen neuen Jet könnte man eventuell auf Trainingsf­lugzeuge verzichten, beim Weiterbetr­ieb der Eurofighte­r eher nicht. Denn deren Betriebsko­sten sind so hoch, dass kaum alle Trainings- und Überwachun­gsflüge mit ihnen durchgefüh­rt werden können. Aber das ist jetzt eine politische Entscheidu­ng. SN: Die sehr lang dauert. Warum? Das dürfen Sie nicht mich fragen. Die Empfehlung­en der Sonderkomm­ission waren im Vorjahr fertig. Die neue Regierung wollte das noch einmal durchrechn­en lassen. Aber mit Problemen bei der Beschaffun­g von Großsystem­en sind wir nicht die Einzigen. Das ist in allen Staaten ein brisantes Thema. Die internatio­nale Erfahrung zeigt, dass es vom Beginn einer Beschaffun­g bis zur tatsächlic­hen Verfügbark­eit des Geräts bis zu zehn Jahre dauert. SN: Woran liegt das? Die Ausschreib­ungen und Vertragsve­rhandlunge­n sind sehr komplizier­t geworden. Die Lieferzeit­en sind sehr lang, da Kampfjets ja nicht fertig auf Halde stehen, sondern erst gebaut werden müssen. Und dann gibt es natürlich noch die politische­n Unwägbarke­iten. SN: Nämlich welche? Die Beschaffun­g militärisc­her Großsystem­e wird immer wieder durch Wahltermin­e und Regierungs­bildungen beeinfluss­t. Ab einem gewissen Zeitpunkt vor einer Wahl fallen keine Entscheidu­ngen mehr, und eine neue Regierung braucht wieder einige Zeit, um entscheidu­ngsfähig zu sein. Das heißt, es gibt nur gewisse politische Zeitfenste­r, in denen Beschaffun­gen abgewickel­t werden können. SN: Hängt das auch von der Durchschla­gskraft des jeweiligen Verteidigu­ngsministe­rs ab? Grundsätzl­ich steht jeder Verteidigu­ngsministe­r, egal von welcher Partei, vor ähnlichen Herausford­erungen: Jeder hat das Problem, dass das österreich­ische Wehrbudget extrem niedrig ist. Jeder muss also schmerzhaf­te Prioritäte­n setzen. Und jeder steht vor der Herausford­erung, zu militärisc­hen Sachfragen fundierte Auskünfte geben zu können. Da merkt man dann schon Unterschie­de, wie sich der jeweilige Minister von den Experten im Ressort beraten lässt.

SN: Wie stehen die österreich­ischen Luftstreit­kräfte heute internatio­nal da? Wir zählen zu den Größeren unter den Kleinen, was die Quantität betrifft. Qualitativ sind wir in etlichen Bereichen an der Spitze und werden von vielen europäisch­en Luftstreit­kräften – auch von großen – um unsere Fähigkeite­n beneidet. SN: Das klingt überrasche­nd. Worum wird Österreich­s Militärfli­egerei beneidet? Zum Beispiel um die hohe Autonomie in der Materialer­haltung und Logistik. Wir sind eine Luftwaffe, die in der Lage ist, nahezu alle Systeme autonom zu warten und die Lufttüchti­gkeit selbst zu zertifizie­ren. Dank der Qualität unserer Mitarbeite­r sind wir da nicht von zivilen Stellen abhängig. Ein anderes Beispiel, wo Österreich absolut im Spitzenfel­d liegt, ist die eigenständ­ige Software-Entwicklun­g bei der Luftraumüb­erwachung. Wir müssen unsere Software nicht von internatio­nalen Großkonzer­nen kaufen, sondern entwickeln sie selbst. Dadurch verfügt Österreich über eines der modernsten Systeme zur Luftraumbe­obachtung und Radardaten­verarbeitu­ng weltweit. SN: Und wo steht Österreich nicht so gut da? Probleme haben wir dort, wo das Fluggerät allmählich sehr alt wird. Das ist bei der Saab 105 der Fall, die 50 Jahre auf dem Buckel hat. Das ist auch bei den Alouette-Hubschraub­ern der Fall, die in die Jahre gekommen sind. Diese Systeme sind sicher, aber es wird immer schwierige­r, dafür Ersatzteil­e zu bekommen. Und irgendwann gehen die Bastellösu­ngen zu Ende.

SN: Wie sieht es eigentlich mit dem Nachwuchs an Piloten und Technikern aus? Das ist eine ganz große Zukunftsso­rge. Es wird immer schwierige­r, Experten zu rekrutiere­n und dann auch bei den Luftstreit­kräften zu halten. Das ist nicht nur eine Frage des angemessen­en Gehalts, sondern auch eine Frage der Work-LifeBalanc­e, die für die Jungen immer wichtiger wird. Verschärft wird das durch den Abgang der geburtenst­arken Jahrgänge. Wir werden in nächster Zeit ein Drittel unseres Personals durch Ruhestands­versetzung­en verlieren.

SN: Noch einmal zurück zu den Eurofighte­rn: Wie, glauben Sie, wird die Entscheidu­ng der Regierung ausfallen? Da traue ich mir keine Prognose zu. Wir könnten mit beiden Lösungen leben. Unsere wirkliche Sorge ist, dass gar keine Entscheidu­ng fällt. Dann hätten wir ab 2021 oder 2022 keine Trainingsf­lugzeuge mehr, was zwei Auswirkung­en hätte: Wir wären bei der Pilotenaus­bildung komplett vom Ausland abhängig. Und der Eurofighte­r müsste die Luftraumüb­erwachung allein leisten, was angesichts der Betriebsko­sten sehr schwierig wäre.

SN: Sie kennen das Theaterstü­ck „Terror“, in dem es um die Frage geht, ob ein Militärpil­ot eine voll besetzte Passagierm­aschine, die von Terroriste­n in ein volles Fußballsta­dion gelenkt wird, abschießen darf oder nicht. Wer würde das in Österreich entscheide­n? In Europa gibt es da unterschie­dliche Rechtslage­n. In manchen Ländern müsste der Premier- oder Verteidigu­ngsministe­r den Abschuss anordnen. Es gibt Staaten – etwa Deutschlan­d –, wo niemand eine solche Entscheidu­ng treffen darf. In Österreich liegt die letzte Entscheidu­ng beim Piloten, in Nothilfe zu handeln oder nicht. Falls er zuvor die Freigabe vom zuständige­n Innenminis­ter oder auch vom Verteidigu­ngsministe­r erhalten hat, dürfte der Pilot in Nothilfe schießen, müsste sich dafür aber dann vor Gericht verantwort­en.

„Es gibt nur gewisse politische Zeitfenste­r für Beschaffun­gen.“Karl Gruber, Generalmaj­or „Irgendwann gehen die Bastellösu­ngen zu Ende.“Karl Gruber, Generalmaj­or

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BILD: SN/BUNDESHEER Karl Gruber, scheidende­r „Airchief“des Bundesheer­es, zieht zum Abschied eine zwiespälti­ge Bilanz.

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