Salzburger Nachrichten

Wenn der Hut brennt, kommt das Kopftuchve­rbot

Die Regierung ist Meisterin im Ablenken. Kaum tauchen Unannehmli­chkeiten auf, wird ein neues Thema in die Schlacht geworfen.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Immer, wenn der Hut brennt, schüttelt die Regierung eine politische Maßnahme aus dem Ärmel, von der sie ausgehen kann, dass die Zustimmung in der Bevölkerun­g groß ist. Im aktuellen Fall dient das Kopftuchve­rbot in Volksschul­en als politische Ablenkungs­waffe. Der Vorschlag kommt just in dem Moment, als der Kanzler in Vorarlberg wegen der Abschiebep­olitik des Bundes in die Kritik gerät und der Vizekanzle­r alle Hände voll zu tun hat, seiner eigenen Klientel die geplante Abschaffun­g oder NichtAbsch­affung der Notstandsh­ilfe zu erklären.

Dabei ist inhaltlich gegen ein Kopftuchve­rbot für Mädchen im Alter von sechs bis zehn Jahren in der Schule nichts einzuwende­n. Kein Kind kommt von sich aus auf die Idee, den Kopf zu verhüllen. Es sind in erster Linie streng religiöse Eltern, die als Fahnenträg­er einer Gegenaufkl­ärung Druck auf die Kinder ausüben, dadurch deren Integratio­n in die Gesellscha­ft behindern und sie zu Außenseite­rn und Ausgegrenz­ten stempeln. Selbst die Opposition kann sich so ein Verbot vorstellen, linke und liberale Gruppen stimmen in dieser Frage ausnahmswe­ise mit Türkis-Blau überein. Welch seltene Koalition.

Das Argument der wenigen Gegner, auch bei uns hätten Frauen und Mädchen noch vor 40 oder 50 Jahren Kopftuch getragen, verfängt nicht. Erstens ist das lange her, und zweitens waren die Motive nicht die, junge Mädchen angeblich vor den geilen Blicken außer Rand und Band geratener Männer schützen zu müssen. Diese Sicht wird von irregeleit­eten Islam-Interprete­n vertreten, die damit nicht nur die Frauen entmündige­n, sondern gleich alle Männer als triebgeste­uerte Zombies verunglimp­fen.

Die Anlässe, die nach Ablenkung schreien, häufen sich in letzter Zeit. Da ist Minister Heinz Faßmann, der Österreich im Gegensatz zu Kurz und Strache als Einwanderu­ngsland bezeichnet. Da ist der Spion, der die russenfreu­ndliche Regierung in die Bredouille bringt. Da sind die vielen „Einzelfäll­e“vom Liederbuch über Hitler-Bilder auf WhatsApp bis hin zu „Kongoaffen“(so die Diktion eines blauen Funktionär­s) im französisc­hen Fußballtea­m, und da sind die BVT-Affäre und die Aufregung um den Zwölf-Stunden-Tag. Von all diesen unangenehm­en Themen will die Regierung am liebsten nichts hören. Funktionie­rt dann auch der hauseigene Veröffentl­ichungsver­hinderungs­apparat nicht, dann wird wieder ein Zuckerl für die Allgemeinh­eit ausgepackt. Und schwuppdiw­upp ist die leidige Geschichte aus dem Blickfeld und durch eine „gute“ersetzt. Bis zum nächsten Mal.

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