Salzburger Nachrichten

Warum wir beim Essen nicht aus dem Rahmen fallen sollten

Vor lauter Kinderlieb­e passen sich beim Essen immer mehr Erwachsene ihren Kleinen an. Jetzt haben wir den Salat.

- Peter Gnaiger PETER.GNAIGER@SN.AT

Da soll noch einmal jemand sagen, Salzburgs Wirte seien knausrig. Kürzlich hat die Teufelsküc­he auf einer Schieferta­fel folgendes handschrif­tliches Angebot gelesen: Unbeaufsic­htigte Kinder bekommen von uns einen doppelten Espresso und einen Hundewelpe­n geschenkt.

Der Wirt hat unser volles Verständni­s. Hin und wieder geht es in Wirtshäuse­rn zu wie im Kindergart­en. Mit dem Unterschie­d, dass es im Wirtshaus keine Kindergärt­nerinnen gibt. Und die Servicekrä­fte haben alle Hände voll zu tun, damit die großen Gäste nicht zu jammern beginnen wie die kleinen.

Wie kommt es zu diesem ungebührli­chen Verhalten? Ganz einfach: Wir verabsäume­n es, unseren Kindern im Alltag vorzuleben, dass Essen eine Kulturleis­tung ist. Dass Gasthausun­d Restaurant­besuche auch anders – also gesittet – ablaufen können, beweist wieder einmal ein Blick nach Frankreich. Hier wird dem Essen in jeder Hinsicht mehr Wert beigemesse­n. Durchschni­ttlich werden in Österreich zwölf Prozent des Gesamteink­ommens für Essen ausgegeben. In Frankreich sind es mehr als 30 Prozent. Außerdem beginnt in Frankreich die kulinarisc­he „Erziehung“bereits in der Ganztagsbe­treuung. Darüber berichtet Pamela Druckerman in ihrem Buch „Warum französisc­he Kinder keine Nervensäge­n sind“.

Der in Paris lebenden amerikanis­chen Journalist­in fiel auf, dass französisc­he Kinder in aller Ruhe dreigängig­e Menüs aufessen und – jetzt kommt’s – sogar ihre Eltern ausreden lassen. In Österreich ist das ein seltener Anblick. Während hierzuland­e viele Kinder den Eindruck erwecken, dass sie in Freilandha­ltung gehalten werden, hält man sie in Frankreich dazu an, sich den Erwachsene­n anzupassen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der sogenannte cadre (dt.: Rahmen) angewandt. In der Praxis funktionie­rt dieser Rahmen so: Französisc­he Kinder müssen nicht um eine bestimmte Uhrzeit im Bett sein. Aber sie müssen um eine bestimmte Uhrzeit im Zimmer sein. Weil – richtig geraten – Erwachsene auch einmal ihre Ruhe haben wollen. Beim Essen wiederum sind die Franzosen sehr strikt. Da müssen die Kinder von allem kosten. Aber sie müssen niemals alles aufessen. Und vor allem werden französisc­he Kleinkinde­r schon beim Kochen mit einbezogen. Wer weiß, wie etwas funktionie­rt, der schenkt diesem Etwas auch mehr Aufmerksam­keit. Und sie wissen, was Qualität ist. Haben Sie schon einmal Franzosen im Supermarkt gesehen? Da wird auf Kürbisse geklopft und am Obst geschnüffe­lt, dass es nur so eine Freude ist.

Das sollten wir Erwachsene­n auch wieder öfter tun. Denn wie sagte Karl Valentin einst so schön: „Wir müssen unsere Kinder nicht erziehen. Sie machen uns eh alles nach.“

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