Warum wir beim Essen nicht aus dem Rahmen fallen sollten
Vor lauter Kinderliebe passen sich beim Essen immer mehr Erwachsene ihren Kleinen an. Jetzt haben wir den Salat.
Da soll noch einmal jemand sagen, Salzburgs Wirte seien knausrig. Kürzlich hat die Teufelsküche auf einer Schiefertafel folgendes handschriftliches Angebot gelesen: Unbeaufsichtigte Kinder bekommen von uns einen doppelten Espresso und einen Hundewelpen geschenkt.
Der Wirt hat unser volles Verständnis. Hin und wieder geht es in Wirtshäusern zu wie im Kindergarten. Mit dem Unterschied, dass es im Wirtshaus keine Kindergärtnerinnen gibt. Und die Servicekräfte haben alle Hände voll zu tun, damit die großen Gäste nicht zu jammern beginnen wie die kleinen.
Wie kommt es zu diesem ungebührlichen Verhalten? Ganz einfach: Wir verabsäumen es, unseren Kindern im Alltag vorzuleben, dass Essen eine Kulturleistung ist. Dass Gasthausund Restaurantbesuche auch anders – also gesittet – ablaufen können, beweist wieder einmal ein Blick nach Frankreich. Hier wird dem Essen in jeder Hinsicht mehr Wert beigemessen. Durchschnittlich werden in Österreich zwölf Prozent des Gesamteinkommens für Essen ausgegeben. In Frankreich sind es mehr als 30 Prozent. Außerdem beginnt in Frankreich die kulinarische „Erziehung“bereits in der Ganztagsbetreuung. Darüber berichtet Pamela Druckerman in ihrem Buch „Warum französische Kinder keine Nervensägen sind“.
Der in Paris lebenden amerikanischen Journalistin fiel auf, dass französische Kinder in aller Ruhe dreigängige Menüs aufessen und – jetzt kommt’s – sogar ihre Eltern ausreden lassen. In Österreich ist das ein seltener Anblick. Während hierzulande viele Kinder den Eindruck erwecken, dass sie in Freilandhaltung gehalten werden, hält man sie in Frankreich dazu an, sich den Erwachsenen anzupassen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird der sogenannte cadre (dt.: Rahmen) angewandt. In der Praxis funktioniert dieser Rahmen so: Französische Kinder müssen nicht um eine bestimmte Uhrzeit im Bett sein. Aber sie müssen um eine bestimmte Uhrzeit im Zimmer sein. Weil – richtig geraten – Erwachsene auch einmal ihre Ruhe haben wollen. Beim Essen wiederum sind die Franzosen sehr strikt. Da müssen die Kinder von allem kosten. Aber sie müssen niemals alles aufessen. Und vor allem werden französische Kleinkinder schon beim Kochen mit einbezogen. Wer weiß, wie etwas funktioniert, der schenkt diesem Etwas auch mehr Aufmerksamkeit. Und sie wissen, was Qualität ist. Haben Sie schon einmal Franzosen im Supermarkt gesehen? Da wird auf Kürbisse geklopft und am Obst geschnüffelt, dass es nur so eine Freude ist.
Das sollten wir Erwachsenen auch wieder öfter tun. Denn wie sagte Karl Valentin einst so schön: „Wir müssen unsere Kinder nicht erziehen. Sie machen uns eh alles nach.“