So macht man Fassaden einzigartig
Der Glasfassadenspezialist seele verleiht nicht nur den Apple-Stores ihr Gesicht. Von Schörfling am Attersee aus werden internationale Prestigeprojekte abgewickelt – zuletzt für ein Luxuskaufhaus in Bangkok.
Schauspielerin Naomi Watts war da, und auch Sängerin Alicia Keys ließ sich die Eröffnung von Bangkoks neuem Luxuskaufhaus Iconsiam Anfang November nicht entgehen. Aber auch Martin Hartmann und Christoph Bauchinger bewunderten an diesem Abend das 300 Meter lange und bis zu 24 Meter hohe „MegaSchaufenster“.
Knapp zwei Jahre lang waren die beiden Projektleiter der se-austria aus Schörfling am Attersee damit beschäftigt. Nun standen sie vor dem Ergebnis des rund 35 Mill. Euro schweren Auftrags. 350 Fassadenglasscheiben und 331 riesige Glasfinnen wurden in der aufwendigen Konstruktion des thailändischen Luxuskaufhauses verbaut – von der Glitzerwelt im Erdgeschoß bis zum Museum auf dem Dach.
Iconsiam ist das jüngste Prestigeprojekt der seele Gruppe, zu der seaustria gehört. Zu den bekanntesten seele Kunden zählt etwa Apple. Der IT-Konzern setzt bei seinen Retail Stores auf das Können des Fassadenspezialisten aus Deutschland. Apple-Chef Tim Cook persönlich stattete dem Stammsitz im bayerischen Gersthofen schon einen Besuch ab. Die seele Gruppe, gegründet 1984 von Glasermeister Gerhard Seele und Stahlbaukonstrukteur Siegfried Gossner, zählt heute weltweit rund 1000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von rund 250 Mill. Euro im Jahr.
Am Attersee hat seele mit der seaustria und derzeit 125 Mitarbeitern seit bald 25 Jahren den Sitz eines Teilkonzerns. Von hier aus werden die Märkte Großbritannien, Südostasien und Nahost bedient und bearbeitet. Die Betriebsleistung wird mit jährlich 51 Mill. Euro beziffert. Eigene Tochterfirmen unterhält man in London, Dubai, Abu Dhabi, Singapur und Thailand. Aufsehenerregendes Projekt in SaudiArabien war zuletzt das King-Abdulaziz-Kulturzentrum. Gebogene Edelstahlrohre formen die Fassade des Gebäudekomplexes, der aus der Wüste ragt, als wären riesige Steine vom Himmel gefallen. Und in Australien schuf man für die Überdachung des Chadstone-Einkaufszentrums in Melbourne eine der weltweit größten Stahl-Glas-Gitterschalen mit einer Gesamtfläche von rund 7000 Quadratmetern. Auftragsvolumen: rund 19 Mill. Euro.
Es seien komplexe Gebäudehüllen aus Glas, Stahl, Aluminium und anderen Hightech-Materialien, die man mittlerweile realisiere, sagt se-austria-Geschäftsführer Thomas Spitzer. „Wir machen Eye-Catcher.“Umgesetzt würden Projekte von so renommierten Architekturbüros wie Foster, Zaha Hadid, Coop Himmelb(l)au oder Grimshaw. Die Größe der Projekte reiche von 1,5 Mill. Euro bis 80 Mill. Euro. Je nach Größe könnten acht bis zwölf Projekte parallel abgewickelt werden.
In Österreich habe man – ausgenommen im gehobenen privaten Bereich – bisher kaum Projekte umgesetzt, sagt Spitzer. „International besteht stärker der Wunsch, sich zu präsentieren.“Böte sich eine Gelegenheit in Österreich, wolle man sie jedenfalls ergreifen. Jedes Projekt freilich müsse man sich neu erkämpfen und deshalb stets innovativ sein, sagt Spitzer. „Wir können nicht einfach die Schublade aufmachen und etwas rausnehmen.“Neue Technologien und Materialkompositionen seien gefragt. Rund zehn Prozent des Umsatzes der Unternehmensgruppe fließen in Forschung und Entwicklung.
Prestigeprojekte aber schützen noch nicht vor Pleiten, wie man beim Stahlkonstrukteur WaagnerBiro beobachten kann. „Jeder Markt hat seine Eigenheiten“, sagt Spitzer. Bei einem Projekt in Saudi-Arabien habe man vor vier Jahren selbst Probleme gehabt, „zum Glück waren wir finanziell gut ausgestattet“. Derzeit würden die Geschäfte in Nahost auf niedrigerem Niveau gehalten. Das Schwierigste sei, Aufträge richtig zu kalkulieren. Risiken müssten erkannt und entsprechend bewertet oder exkludiert werden. Bei einem Projekt in Australien dürften Teile weder fehlen noch beschädigt sein, „da haben wir in eine Richtung vier Wochen Lieferzeit“. Und man sei recht hartnäckig in der Ausarbeitung der Zahlungs- und Vertragsbedingungen. Man wolle die Projekte, sagt Spitzer, „ordentlich und sauber durchziehen“.
Ein nächstes Großprojekt steht in Großbritannien an. Die ehemalige Battersea Power Station in London wird zu einem Einkaufszentrum und Bürogebäude umgebaut. Brexit-Sorgen plagen Spitzer nicht. Man sei in London gut vernetzt, „einen gewissen Abschwung wird es jetzt aber mal geben“.
„International hat man stärker den Wunsch, sich zu präsentieren.“Thomas Spitzer, se-austria