Wir werden smartphonisiert
Während über den Einfluss schädlicher Strahlung bei der Nutzung von Smartphones noch diskutiert wird, warnen Orthopäden bereits ausdrücklich vor einer Krankheit namens „digitale Lähmung“.
WIEN. Wir alle kennen das Bild des „Gebeugten“. Den Kopf nach vor gebeugt, die Hände zum Gebet gefaltet. Auf den ersten Blick könnte man meinen, dass hier jemand mit seinem Schöpfer kommuniziert. Dabei starrt diese Person nur auf ihr Smartphone. Und obwohl der „Gebeugte“weitgehend bewegungslos verharrt, spielt sich in seinem Inneren zur gleichen Zeit allerhand ab.
Was das ist? Darüber informierte am Montag in Wien der Präsident des Berufsverbands für Orthopädie, Ronald Dorotka: „Ein durchschnittlicher menschlicher Kopf wiegt etwa zwei Kilogramm. Wenn sich dieser über längere Zeit über ein Display beugt, dann kann dabei eine bis zu zehnfache Belastung der Halswirbelsäule entstehen.“Die Folge können irreparable Nacken-, Kopf- und Rückenschäden sein.
Diese Krankheitsbilder lassen sich inzwischen in allen Altersgruppen nachweisen. Aber besonders betroffen seien Jugendliche, die im Durchschnitt täglich mehr als zwei Stunden ihr Smartphone oder ihr Tablet benutzen. Eine weitere potenzielle Gefahrenquelle seien Spielkonsolen. „Die Schäden können bis zum Bandscheibenvorfall gehen“, erklärt Dorotka. Auch ein Schlagwort hat die Orthopädie für diese Entwicklung bereits gefunden: „Wir nennen das digitale Lähmung.“
Auf eine weitere Gefahr weist im SN-Gespräch Josef Mittermaier hin. Der Salzburger Allgemeinmediziner, Osteopath und Akupunkteur warnt auch vor Telefongesprächen mit im Nackenbereich eingezwängten Telefonen. Das geschieht, wenn man gleichzeitig telefoniert und arbeitet. Etwa beim Kochen, zum Wickeln des Babys oder zum Schreiben auf einer Tastatur. „Da nimmt man die Haltung des Konzertgeigers ein“, erklärt Mittermaier. Und die sei alles andere als gesund, weil er die Geige asymmetrisch einzwicke. In dieser Haltung beanspruche man die vielschichtige Nackenmuskulatur über die Maßen. „Die eine Seite ist angespannt, die andere locker, das geht dann auf das Zwischenwirbelgelenk und pflanzt sich bis in den Schulterbereich fort“, erklärt Mittermaier.
Im Fachmagazin „The Lancet“wurde wiederum bereits vor vier Jahren berichtet, dass die spanische Ärztin Inés Fernández-Guerrero die erste Diagnose namens „Whatsappitis“stellte. Eine junge Frau kam nach Weihnachten mit einer Sehnenentzündung beider Daumen in ihre Sprechstunde. Die Patientin hatte ihr 130 Gramm schweres Smartphone sechs Stunden lang benutzt, um während der Weihnachtsfeiertage Glückwünsche zu verschicken. Die Ärztin verordnete Entzündungshemmer und ein striktes Textnachrichtenverbot.
Ronald Dorotka rät übrigens zu regelmäßiger Bewegung, um permanenten Fehlbelastungen durch das Nutzen von Smartphones und Tablets entgegenzuwirken. Bewegung hilft auch gegen die sogenannten Schulkopfschmerzen, die auf langes Sitzen an flachen Tischen zurückzuführen sind. Trotzdem weist Dorotka auch auf positive Effekte der Smartphones hin. „Es erhöht die Aufmerksamkeit und die motorische Koordination und trainiert das Gedächtnis sowie das strategische Planen.“
Josef Mittermaier wiederum macht noch auf ein anderes Problem aufmerksam: „Derzeit wird ja diskutiert, ob die elektromagnetische Strahlung Krebs und Impotenz verursachen kann. Ob das so ist, werden wir erst in 20 bis 30 Jahren wissen.“Bis dahin wird weiter diskutiert. Hauptsächlich mittels Tablets und Smartphones.