Die EU wird die Briten trotz allem sehr vermissen
Nach dem Abgang des Vereinigten Königreichs bleiben nur zwei große Länder: eines, das die Ideen hat, und eines mit Geld.
Das Vereinigte Königreich wird nach 46 Jahren Mitgliedschaft am 29. März 2019 aus der Europäischen Union ausscheiden. Das ist nach derzeitigem Stand ziemlich wahrscheinlich (sicher ist beim Brexit ja gar nichts). Die Briten werden sich allerdings nicht so verabschieden, wie sie sich das vorgestellt haben – und nicht so, wie viele Europäer glauben. Denn geht es nach Plan, folgt auf den Austritt eine Übergangsphase, auf die Übergangsphase eine Zollunion und auf die Zollunion ein wie immer geartetes enges Handelsabkommen. Das wird noch einige Jahre dauern – in denen die Briten mitmachen und mitzahlen, aber nicht mitreden.
Der EU-Austritt Großbritanniens wird nicht „die Zerstörung der gesamten politischen Zivilisation des Westens“sein, vor der Ratspräsident Donald Tusk vor dem wegweisenden Referendum der Briten im Juni 2016 gewarnt hat. Aber er wird die EU verändern. Nicht nur, weil nach dem Abgang des drittgrößten Landes nur noch zwei große in der EU bleiben – eines, das Visionen hat (Frankreich), und eines, das Geld hat (Deutschland).
London stand immer auf der Bremse, sobald es um das echte Zusammenwachsen der EU-Staaten ging. Bei den beiden – trotz Kinderkrankheiten – Erfolgsprojekten der europäischen Integration, dem Schengen-Vertrag und dem Euro, waren die Briten von Anfang an nicht dabei, bei Sozialrechten und Grundrechte-Charta haben sie Vorbehalte, bei der JustizZusammenarbeit und bei der Flüchtlingspolitik Ausnahmen. In Brüssel wird die britische Methode so beschrieben: bis zum kleinsten gemeinsamen Nenner verhandelt und dann auch noch eine Extrawurst verlangen. Gemeinsame Verteidigung, Soziales, Zuwanderung – überall stemmte sich das Vereinigte Königreich gegen den weiteren Ausbau der Union. Jetzt kann es schneller gehen mit der weiteren Integration.
Mit den Briten gehen jedoch auch die vehementesten Verfechter von Freihandel und lockerer Regulierung in der EU. Niederländer, Balten, Iren, Schweden und Finnen versuchen jetzt als „Nord-Allianz“oder „neue Hanse“irgendwie diese Rolle zu übernehmen, sie bringen aber nicht das gleiche Gewicht auf die Waage wie die bisher zweitgrößte Volkswirtschaft der EU. Das wird all jene freuen, die ein „Europa der Kooperation“statt eines „Europas der Konkurrenz“fordern. Im globalen Wettbewerb wird das der EU wenig helfen. „Wir vermissen euch schon jetzt“, hat Tusk am Tag, als London die Scheidung eingereicht hat, gesagt. Dieses Gefühl wird noch stärker werden.