Rendi-Wagners hohes Risiko
Jedem Ende wohnt ein Zauber inne. Für seinen allerletzten Auftritt als SPÖ-Chef erntete Christian Kern beim Parteitag in Wels stürmischen Applaus. Wofür er den Beifall erhielt, wurde nicht ganz klar. Für die Art und Weise seines Abgangs kann es nicht gewesen sein, denn dieser Abgang erfolgte völlig zur Unzeit.
Üblich ist es in der Politik, eine Partei rund ein Jahr vor der nächsten wichtigen Wahl zu übergeben. Der Nachfolger kann dann das Momentum des Neuen nutzen und ist noch nicht vom politischen Alltag abgenützt. Genau das droht nun Pamela Rendi-Wagner. Kern hat vier Jahre vor dem nächsten regulären Wahltermin das Handtuch geworfen, und vier Jahre sind eine lange Zeit.
Alle Profis, denen der SPÖ-Vorsitz angetragen wurde – Doris Bures, Hans Peter Doskozil und Peter Kaiser –, haben daher sofort abgewinkt. Rendi-Wagner griff zu. Die Partei dankte es der Quereinsteigerin in Wels mit einem Wahlergebnis jenseits der 97 Prozent, was auch ein Zeichen der Erleichterung darüber gewesen sein dürfte, dass sich überhaupt jemand gefunden hat, der die angeschlagene Partei übernimmt.
Die neue SPÖ-Chefin hat einen Hochrisiko-Posten übernommen. Wenn sie Glück hat und die schwarz-blaue Regierung an irgendeinem Skandal zerbricht, sich die Themenlage im Land komplett ändert und es der SPÖ gelingt, sowohl Grüne als auch Neos und Liste Pilz, äh, Jetzt zu inhalieren, könnte sie ihr Ziel erreichen und die erste Kanzlerin werden.
Wenn sie Pech hat, bleibt die Regierung bis 2022 im Amt, die Meinungslage bleibt so, wie sie ist (laut einer neuen Umfrage sind 80 Prozent für das Kopftuchverbot!), und die SPÖ kommt weiterhin nicht vom Fleck. Dann werden jene, die jetzt den Finger vom Parteivorsitz gelassen haben, sich rechtzeitig vor der nächsten Wahl Gedanken über einen anderen Spitzenkandidaten machen.
Beides kann Rendi-Wagner passieren. Alles ist möglich. Das macht die Politik so spannend.