Asylpolitik in Absurdistan und anderswo
Migration, Asyl, Facharbeitermangel: Diese Probleme sind miteinander verknüpft. Und sie sind lösbar. Wenn man nur will.
Es ginge auch so: Asylbewerber, die eine Lehre machen, werden – unter gewissen Voraussetzungen – auch bei negativem Asylbescheid nicht abgeschoben. Vielmehr dürfen sie ihre Lehre fertig machen und weitere zwei Jahre ihren erlernten Beruf ausüben. Eine wunderbare Lösung! Schade, dass sie nicht in Österreich gilt, sondern nur in Deutschland, wo sie den schönen Namen „Ausbildungsduldung“oder auch „3 plus 2“trägt.
Und Österreich? Hierzulande fordert die Wirtschaftskammer eine solche Regelung. In Vorarlberg hat sich das dortige Wirtschaftsparlament inklusive FPÖ kürzlich ebenfalls für 3 plus 2 ausgesprochen. In Österreichs Westen ertönt auch der Ruf, die Erteilung des humanitären Bleiberechts wieder mehr zur Landessache zu machen, auf dass auf regionaler Ebene über das Schicksal der lernenden Asylbewerber entschieden werden könne. Bisher wurden diese Rufe und Appelle in Wien nicht erhört.
Geht’s noch absurder? Unserem Land kommen Fachkräfte abhanden, etliche Branchen suchen händeringend nach Nachwuchs, und auch aus demografischen Gründen können wir dringend junge Leute und Beitragszahler brauchen. Doch wir schicken die Menschen, die die Lücke füllen könnten und die, statt Mindestsicherung
Ein Musterbeispiel unintelligenter Politik
zu beziehen, lieber arbeiten und Steuern zahlen wollen, außer Landes. Für diese Politik kann es nur die Bezeichnung „unintelligent“geben; ebenso wie die jüngst in Salzburg bekannt gewordene Praxis, die dringend benötigten Pflegekräfte aus Drittstaaten zwar hier bei uns auszubilden, sie aber danach nicht arbeiten zu lassen. Auch hier sucht die Lokalpolitik verzweifelt nach einem Ausweg aus Absurdistan. Auch hier zeigte sich der Bund bisher nicht einsichtig. Unsere Arbeitsplätze für unsere Leut’, scheint die einem blauen Wahlslogan abgekupferte Devise zu lauten, auch wenn besagte Leut’ auf dem österreichischen Arbeitsmarkt gar nicht vorhanden sind.
Bleibt die Frage, warum sich ausgerechnet in den westlichen Bundesländern der Widerstand gegen die hartleibige Bundespolitik aufbaut. Auch zur Beantwortung dieser Frage lohnt ein Blick nach Vorarlberg, wo jüngst sogar dem Kanzler persönlich lautstarke Empörung entgegenschallte. Vorarlberg hat eine jahrzehnte-, ja: jahrhundertelange Erfahrung mit Migration und Gastarbeitern. Vielleicht auch aus diesem Grund taugt dieses Thema dort so gar nicht für Hetze und Emotion. Im Herbst 2014 einigten sich die beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne in einem präzisen Arbeitsübereinkommen auf einen menschlichen und pragmatischen Umgang mit der damals anschwellenden Migration – nicht zuletzt auf Druck der Grünen, die aufgrund ihres starken Wahlergebnisses bei der Landtagswahl über eine gute Verhandlungsposition verfügten.
„In der Praxis haben sich alle Beteiligten in intensivster, ressortübergreifender Arbeit in nahezu jeder Regierungssitzung um die konkrete Umsetzung bemüht“, berichtet ein Vorarlberger Politik-Insider. Die Bemühungen waren parteienübergreifend. Der damalige ÖVPLandesrat Erich Schwärzler, ein Christlichsozialer der alten Schule, brachte es zustande, dass die Flüchtlinge in fast allen Gemeinden Vorarlbergs Aufnahme fanden. Denn auf Großquartiere wollte man ganz bewusst verzichten. Die grüne Landesrätin Katharina Wiesflecker bewerkstelligte die Unterbringung der jugendlichen Asylbewerber. In vielen Gemeinden entstanden persönliche Beziehungen und Bindungen bei der lokalen Bevölkerung bis hin zu Kirchenchor und Fußballverein. Unternehmen stellten sich für die Arbeitsmarktintegration zur Verfügung. „Das sind auch die Leute, die jetzt auf die Straße gehen und nicht hinnehmen wollen, wie von Kurz und Kickl drübergefahren wird“, berichtet ein Gesprächspartner aus Vorarlberg.
In die Bundespolitik fanden diese Bemühungen nicht wirklich Eingang. „Das Land Vorarlberg wird sich auf Bundesebene dafür einsetzen, dass Kriegsflüchtlingen, Vertriebenen und Asylbewerber/-innen ein vorübergehender Aufenthaltstitel gewährt wird und dass insbesondere für jugendliche Asylsuchende der Zugang zum Arbeitsmarkt verbessert wird“, steht im Vorarlberger Regierungspakt. Im Regierungspakt der türkis-blauen Bundesregierung findet sich nichts dergleichen. Die Abschiebung jugendlicher asylsuchender Lehrlinge, wie sie auf Betreiben der Bundesregierung vorgenommen wird, ist vom Vorarlberger Modell meilenweit entfernt.
Und auch vom Salzburger Modell, das sich im schwarz-grün-pinken Regierungsprogramm so liest: „Wir wollen Lehrlinge mit Flucht- oder Migrationshintergrund in ihrer schulischen, sprachlichen und betrieblichen Ausbildung unterstützen.“
Es müsste halt der Bund mitspielen.