Macron ist machtlos
Bisher findet Frankreichs Präsident kein Mittel gegen die neue Protestbewegung. Die Extremparteien nützen den Unmut der Bürger und heizen das politische Klima an.
PARIS. „Eine Schande“nannte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in einer Twitter-Botschaft die neuen gewalttätigen Ausschreitungen, zu denen es am Wochenende bei den Protesten gegen die zur Förderung des Energiewandels geplanten Steuererhöhungen auf Treibstoffe kam. Es war das zweite Mal, dass die nach ihren Warnwesten „Gelbe Westen“genannte Bewegung mit ihren Forderungen die Straßen beherrschte.
Die Protestler waren zahlenmäßig weniger als vor einer Woche, aber vor allem in Paris viel radikaler und zur gewaltsamen Konfrontation mit den Ordnungskräften entschlossen. Trotz der Absperrung symbolträchtiger Plätze wie Place de la Concorde oder den ChampsÉlysées, der berühmten Prachtstraße mit den zahlreichen Luxusgeschäften, drangen Tausende Demonstranten ins Zentrum der französischen Hauptstadt vor, trotzten Tränengas und Wasserwerfern und setzten sich mit Steinen zur Wehr. Es waren Szenen einer Gewalt, wie sie Paris seit den Studentenunruhen vom Mai 1968 nicht mehr erlebt hatte.
Dabei hatte alles eher friedlich begonnen. Aber Politiker der extremen Rechten und der radikalen Linken hatten die Stimmung aufgeheizt. Schon am Vorabend hatte sich Marine Le Pen, die Chefin der Nationalen Sammlung (früher Nationale Front), darüber mokiert, dass den „Gelbwesten“der Zugang zu zentralen Plätzen verwehrt sein sollte. Am Samstagabend rief dann Jean-Luc Mélenchon, der Anführer der linken Bewegung „Aufsässiges Frankreich“, offen dazu auf, sich von den Behörden nicht das Recht auf Demonstrationen beschneiden zu lassen.
Gegenüber dieser Protestbewegung, die übrigens in Städten der Provinz weit weniger gewalttätig aufgetreten ist, erscheint die Regierung ratlos. Das liegt vor allem daran, dass die Proteste völlig spontan entstanden sind, dass sie von keiner strukturierten Organisation vertreten werden und es somit auch keinen Ansprechpartner gibt, an den die Regierung sich wenden könnte. Hinzu kommt, dass es vielen „Gelbwesten“nicht nur um die höhere Besteuerung von Treibstoff im Kampf gegen den Klimawandel geht – unter der vor allem die ländliche Bevölkerung zu leiden hätte, weil sie wegen fehlender öffentlicher Verkehrsmittel auf das Auto angewiesen ist. Ganz allgemein ist es auch ein Gefühl der Unzufriedenheit mit den allgemeinen Lebensumständen, den mangelnden sozialen oder unerreichbar fernen gesundheitlichen Einrichtungen, die den Unmut schürt. Hinzu kommt, dass manche Franzosen sich von der wirtschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen sehen.
„Mir bleiben unter dem Strich monatlich 1400 Euro zum Leben“, erklärte ein etwa 50-jähriger Metallarbeiter im Fernsehen.
Gegen dieses diffuse Gefühl des Unmuts ist Macron machtlos. Abstriche am Programm zur Energiewende soll es aber nicht geben. Nur zu einer Konzession scheint er nach Worten eines Mitarbeiters bereit. Wenn der Präsident morgen, Dienstag, den Hohen Rat für Klimaschutz ins Leben ruft, könnten dieser neuen Institution, die der Regierung bei der Formulierung ihrer Energiepolitik zur Seite stehen soll, außer Experten aus Wirtschaft, Umweltschutz und Wissenschaft auch „Gelbwesten“angehören.